Volltext: 125 Jahre Harmoniemusik Vaduz 1863-1988

In diesem zweistöckigen Gebäude befinden sich 
drei grössere und ein kleineres Schulzimmer. Im 
Unterstock ist eine Wohnung für die Schul- 
schweestern eingerichtet, Die Schwestern sind 
1846 aus dem Kloster Zams nach Vaduz zurFüh- 
rung einer Mädchenschule im Roten Haus 
gekommen. Ein Raum für die 1858, ebenfalls 
dank einer grosszügigen Stiftung des Dr. Grass 
gegründete Realschule bestimmt. Das Stiftungs- 
kapital umfasst die beträchtliche Summe von 
20 000 Gulden, dessen Zinsertrag zur Lehrerbe- 
soldung an der Knaben- und Realschule dient. 
Als Lehrpersonen sind im Gemeindeschulwesen 
tätig Oberlehrer Anton Hinger und zwei Lehr- 
schwestern. Das neue Schulgesetz von 1859 hat 
eine Schulreform eingeleitet. Die Volksbildung 
soll Grundlage für den geistigen und wirtschaftli- 
chen Fortschritt des Landes sein. Neue Unter- 
richtsfächer und Schularten werden eingeführt, 
so die Handwerker- und Industrieschule. Die 
Schulpflicht istauf acht Jahre, bis zum 14. Lebens- 
jahr, verlängert worden. Die maximal zulässige 
Schülerzahl pro Lehrer ist mit 100 (!) festgelegt. 
Der ebenfalls neu geschaffene Ortsschulrat leitet 
und überwacht das Schulwesen in der Gemeinde. 
Dberlehrer Hinger hat über 70 Schüler aus allen 
acht Altersklassen zu unterrichten. Er betreut 
auch die «Handwerker- und Werktagsschule». 
Die «Mädchen- und Industrieschule» wird von 
den Schwestern geleitet. Hinger ist als «Muster- 
lehrer» nach Vaduz berufen worden. Als solcher 
st er auch zuständig für die Aus- undFortbildung 
der Lehrer, für die Erarbeitung von Lehrplänen 
und die Einführung von Lehrmitteln. Im land- 
wirtschaftlichen Verein leitet er die Sektoren 
«Bienenzucht» und «Obstbau». Ausserdem ist er 
Organist, Leiter des Kirchenchores und Dirigent 
des neu gegründeten Gesangs- und Musikve- 
reins! Er erteilt auch privaten Musikunterricht, 
hat gute Kontakte zum Komponisten Josef 
Rheinberger und wird dessen erster Biograph. 
Im Lokalschulonds liegen 1076 Gulden. Der 
Zinsertrag und Schulstrafen, teils vom Polizei- 
mann Hilti eingetrieben, ergeben 60.51 7, Gulden 
Einnahmen für die «Knaben- und Mädchen- 
schule Vaduz». An den Oberlehrer ist em 
Gehaltsbeitrag von 87.50 Gulden, an die beiden 
Lehrerinnen ein solcher von 48.50 Gulden zu 
entrichten. Für Heizen und Reinigen der Schul- 
zimmer erhält Andreas Laternser 15.75 Gulden. 
An weiteren Auslagen verzeichnet die Schulrech- 
nung für zwei Porträts S. D. des Fürsten Johann 
5.55 Gulden und eine Fensterreparatur. Bei 
Gesamtausgaben von 158.16 Gulden hat die 
Gemeindekassa zum Rechnungsausgleich 97.64 
% Gulden nachzuschiessen. 
Staat und Politik 
Die Landeszeitung berichtet auch über die gros- 
sen Ereignisse der Weltpolitik. 1863 sind dies ins- 
vesondere der Krieg zwischen den Nord- und 
Südstaaten in Amerika, die Auseinandersetzung 
ım Schleswig-Holstein zwischen Dänemark und 
dem Deutschen Bund sowie der Fürstentag in 
Frankfurt. — Der sich abzeichnende Sieg der 
Nordstaaten im Amerikanischen Bürgerkrieg 
wird als «Sieg der guten Sache» bezeichnet. Bei 
Gettysburg ist «der Armee der Sklavenhalter am 
4. Juli aufs Haupt geschlagen worden». — Kaiser 
Jranz Josef hat die deutschen Fürsten und Senate 
der freien Städte auf den 16. August nach Frank- 
furt eingeladen. Beratungsthema ist die Bundes- 
verfassungsreform. Bisher sind alle Versuche in 
dieser Richtung gescheitert. Auch jetzt gb es 
ungünstige Vorzeichen: «Die unglückselige 
Eifersucht . Preussens auf die Machtstellung 
Usterreichs im deutschen Bunde, hat bereits wie- 
der eine Frucht getrieben, und die preussische 
Ablehnung der Einladung nach Frankfurt zur 
Folge gehabt»! — Am 8. Dezember berät eine 
«Versammlung von Vorarlbergern und Liechten- 
steinern» in Vaduz über «Mittel und Wege, wie 
den schmerzbedrängten Brüdern ın Schleswig- 
Holstein und ihrem guten Rechte möglichst tat- 
kräftige Unterstützung geleistet werden könnte. 
'n «Begeisterung für die nordischen Brüder» wer- 
den zwei Hilfskomitees gegründet. Es wird der 
Wunsch geäussert, dass dieser «erste Fall gemein- 
samen Handelns zwischen Vorarlberg und 
Liechtenstein nicht der einzige bleiben möge». 
Zum 50. Jahrestag der Schlacht bei Leipzig am 
(8. Oktober 1863 weht in Vaduz die deutsche 
Fahne, abends entzündet die Jugend ein grosses 
Sedenkfeuer.
	        

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