In diesem zweistöckigen Gebäude befinden sich
drei grössere und ein kleineres Schulzimmer. Im
Unterstock ist eine Wohnung für die Schul-
schweestern eingerichtet, Die Schwestern sind
1846 aus dem Kloster Zams nach Vaduz zurFüh-
rung einer Mädchenschule im Roten Haus
gekommen. Ein Raum für die 1858, ebenfalls
dank einer grosszügigen Stiftung des Dr. Grass
gegründete Realschule bestimmt. Das Stiftungs-
kapital umfasst die beträchtliche Summe von
20 000 Gulden, dessen Zinsertrag zur Lehrerbe-
soldung an der Knaben- und Realschule dient.
Als Lehrpersonen sind im Gemeindeschulwesen
tätig Oberlehrer Anton Hinger und zwei Lehr-
schwestern. Das neue Schulgesetz von 1859 hat
eine Schulreform eingeleitet. Die Volksbildung
soll Grundlage für den geistigen und wirtschaftli-
chen Fortschritt des Landes sein. Neue Unter-
richtsfächer und Schularten werden eingeführt,
so die Handwerker- und Industrieschule. Die
Schulpflicht istauf acht Jahre, bis zum 14. Lebens-
jahr, verlängert worden. Die maximal zulässige
Schülerzahl pro Lehrer ist mit 100 (!) festgelegt.
Der ebenfalls neu geschaffene Ortsschulrat leitet
und überwacht das Schulwesen in der Gemeinde.
Dberlehrer Hinger hat über 70 Schüler aus allen
acht Altersklassen zu unterrichten. Er betreut
auch die «Handwerker- und Werktagsschule».
Die «Mädchen- und Industrieschule» wird von
den Schwestern geleitet. Hinger ist als «Muster-
lehrer» nach Vaduz berufen worden. Als solcher
st er auch zuständig für die Aus- undFortbildung
der Lehrer, für die Erarbeitung von Lehrplänen
und die Einführung von Lehrmitteln. Im land-
wirtschaftlichen Verein leitet er die Sektoren
«Bienenzucht» und «Obstbau». Ausserdem ist er
Organist, Leiter des Kirchenchores und Dirigent
des neu gegründeten Gesangs- und Musikve-
reins! Er erteilt auch privaten Musikunterricht,
hat gute Kontakte zum Komponisten Josef
Rheinberger und wird dessen erster Biograph.
Im Lokalschulonds liegen 1076 Gulden. Der
Zinsertrag und Schulstrafen, teils vom Polizei-
mann Hilti eingetrieben, ergeben 60.51 7, Gulden
Einnahmen für die «Knaben- und Mädchen-
schule Vaduz». An den Oberlehrer ist em
Gehaltsbeitrag von 87.50 Gulden, an die beiden
Lehrerinnen ein solcher von 48.50 Gulden zu
entrichten. Für Heizen und Reinigen der Schul-
zimmer erhält Andreas Laternser 15.75 Gulden.
An weiteren Auslagen verzeichnet die Schulrech-
nung für zwei Porträts S. D. des Fürsten Johann
5.55 Gulden und eine Fensterreparatur. Bei
Gesamtausgaben von 158.16 Gulden hat die
Gemeindekassa zum Rechnungsausgleich 97.64
% Gulden nachzuschiessen.
Staat und Politik
Die Landeszeitung berichtet auch über die gros-
sen Ereignisse der Weltpolitik. 1863 sind dies ins-
vesondere der Krieg zwischen den Nord- und
Südstaaten in Amerika, die Auseinandersetzung
ım Schleswig-Holstein zwischen Dänemark und
dem Deutschen Bund sowie der Fürstentag in
Frankfurt. — Der sich abzeichnende Sieg der
Nordstaaten im Amerikanischen Bürgerkrieg
wird als «Sieg der guten Sache» bezeichnet. Bei
Gettysburg ist «der Armee der Sklavenhalter am
4. Juli aufs Haupt geschlagen worden». — Kaiser
Jranz Josef hat die deutschen Fürsten und Senate
der freien Städte auf den 16. August nach Frank-
furt eingeladen. Beratungsthema ist die Bundes-
verfassungsreform. Bisher sind alle Versuche in
dieser Richtung gescheitert. Auch jetzt gb es
ungünstige Vorzeichen: «Die unglückselige
Eifersucht . Preussens auf die Machtstellung
Usterreichs im deutschen Bunde, hat bereits wie-
der eine Frucht getrieben, und die preussische
Ablehnung der Einladung nach Frankfurt zur
Folge gehabt»! — Am 8. Dezember berät eine
«Versammlung von Vorarlbergern und Liechten-
steinern» in Vaduz über «Mittel und Wege, wie
den schmerzbedrängten Brüdern ın Schleswig-
Holstein und ihrem guten Rechte möglichst tat-
kräftige Unterstützung geleistet werden könnte.
'n «Begeisterung für die nordischen Brüder» wer-
den zwei Hilfskomitees gegründet. Es wird der
Wunsch geäussert, dass dieser «erste Fall gemein-
samen Handelns zwischen Vorarlberg und
Liechtenstein nicht der einzige bleiben möge».
Zum 50. Jahrestag der Schlacht bei Leipzig am
(8. Oktober 1863 weht in Vaduz die deutsche
Fahne, abends entzündet die Jugend ein grosses
Sedenkfeuer.