Auch ausländische Sportler bewarben sich beim Liech-
‚ensteinischen Olympischen Komitee um Aufnahme ins
Olympiakader. So etwa eine deutsche Spitzenhochsprin-
gerin, für Helsinki 1952 ein damals bekannter Schweizer
Boxer und für Rom ein Zürcher Leichtathlet, der für
Liechtenstein den Marathon und das 50-km-Gehen
bestreiten wollte, Er schrieb an die Kabinettskanzlei und
an den Landesfürsten selbst («Sehr geehrte Majestät»).
Eines der Schreiben an die Kabinettskanzlei lautete:
«Sehr geehrte Herren! Leider habe ich meinen Brief
‘Bzw. die Fragen dahin.) welchen ich an Seine Majestät
Fürst Franz Josef von Lichtenstein sandte, noch immer
nicht beantwortet bekommen!; Weder von Ihnen noch
vom Olympischen Komitee Lichtensteins! — Ich muss u.
möchte Sie nun höflichst aber dringend ersuchen u. einla-
den, mir nun die in meinem Briefe gestellten Fragen zu
beantworten! — Bisher habe u. hatte ich erst von einem
lichtensteinischen 3000, evtl. auch 5000-Meter-Läufer
gehört, aber noch nicht von einem 10000 Meter Läufer
oder gar Marathonisten! — Ebenfalls ist mir kein lichten-
steinischer 50 _km Geher bekannt aus Ihrem Land!
Haben Sie aber 20 km Geher in Lichtenstein? (Der Renn-
fahrer Fritz Heeb (!) kann gut ein Schweizer oder schwei-
zerischer Abstammung sein! - Ich ging z.B. in der Ost-
schweiz mıt einem Fritz Heeb, einem Ernst Heeb u.
einem Jakob Heeb zur Schule! — ) Haben Sie nächstens in
Vaduz od. Schaan ein Gehen über 50 oder 20 km?? Ferner
ainen Lauf über 10 000 m oder über 35-42, 195 km?? — Falls
ja, wo u. wann? Erwarte nun gerne Ihre rasche Antwort! —
100 km bestanden!!! War gestern wieder trainieren. Gehe
auch 150-200 km!»
Aufgrund der Nationalität musste das NOK der Hoch-
springerin, dem Boxer und auch dem Langläufer negati
ven Bescheid geben.
Die Geschichte zeigt, dass die Olympische Idee in Liech-
'‚enstein raschen Anklang fand. Verflochten sind dabei
sersönliche Interessen, Neigungen zum Sport und politi-
sche Faktoren. Die politische Dimension drückte Graf
Maurice von Bender in einem Brief an den damaligen
NOK-Präsidenten Xaver Frick aus. Er schrieb diesem am
21. Januar 1964, dass er sich immer für die Teilnahme
Liechtensteins an den Olympischen Spielen eingesetzt
habe «aus meiner festen Überzeungung heraus, die
Ad
damals und auch jetzt noch bei mir herrscht, dass niemals
die Gelegenheit versäumt werden sollte, die Existenz, die
politische Unabhängigkeit und unbedingte Souveränität
unseres Ländchens — so unbedeutend dieses auch sei —
der Weltöffentlichkeit vorzuführen und zu betonen, was
damals, wie auch noch heute nicht immer bei allen von
uns vollständig ins Auge gefasst» werde,
Nach den heute geltenden Statuten ist das NOK ein
autonomer und unabhängiger, politisch und religiös neu-
traler, körperschaftlich organisierter Verein und steht
unter dem Protektorat von Fürst Franz Josef IL. Die Zweck-
bestimmungen lehnen sich wörtlich an diejenigen des
Schweizer Olympischen Komitees an:
a) Förderung und Verbreitung der olympischen Bewe
gung in Liechtenstein;
b) Vertretung der liechtensteinischen olympischen
Bewegung nach aussen;
Gewährleistung der Verbindung mit dem IOK sowie
anderen Nationalen Olympischen Komitees und die
Zusammenarbeit mit diesen;
Mitarbeit an der Förderung der sportlichen Entwick
lung des liechtensteinischen Volkes in Zusammen-
arbeit mit dem Liechtensteinischen Landessportver-
band (LLSV);
Organisation, Finanzierung und Leitung der olympi-
schen Vertretung an den Olympischen Spielen, sowie
an anderen Veranstaltungen olympischer Art, an
denen das Fürstentum Liechtenstein teilnimmt;
Bezeichnung der liechtensteinischen Teilnehmer, Ath-
‚eten und Offiziellen an den unter e) bezeichneten
Veranstaltungen mit den interessierten nationalen Ver-
bänden.
ß
Die Geschäfte des Komitees leitet ein drei- bis fünfköpfi-
ger Exekutivrat, von denen bis zu drei von der General-
versammlung-und zwei vom FLSV-Vorstand gewählt wer-
den. Zusammengesetzt ist das NOK aus dem Mitglied des
IOK für das Fürstentum Liechtenstein, den Delegierten
aller nationalen Sportverbände, die einem vom IOK aner-
kannten internationalen Sportverband angehören, den
Mitgliedern des Exekutivrates und höchstens fünf um
Sport und olympische Bewegung verdiente Persönlich-
keiten.