kaum vermehrte. Zahlreiche Familienväter such-
ten während des Sommers Arbeit in der Schweiz,
um die Existenz ihrer Familie zu sichern. In der
aufkommenden Textilindustrie waren mehr als
die Hälfte der Beschäftigten unverheiratete
Frauen. Die wirtschaftliche Entwicklung nach
dem Zweiten Weltkrieg hat das Familienleben
weitgehend umgestaltet. Industrie, Gewerbe,
Banken usw. erleben einen kaum für möglich
gehaltenen Aufschwung. Immer mehr Männer
und Frauen arbeiten in Fabriken und Büros. Die
Kinder erleben ihre Eltern kaum mehr bei der
Arbeit. Die Kontakte im Dorf wurden abge-
schwächt. Obwohl die Liechtensteiner traditions-
gemäss in ihrem Heimatdorf fest verwurzelt sind,
ziehen viele einen Arbeitsplatz und manche auch
ainen Wohnort in einem anderen Dorf vor. Aber
auch viele ausländische Arbeitskräfte und Fami-
lien zogen seither nach Liechtenstein. Manche
Dörfer in Liechtenstein zählen heute mehrere
Tausend Einwohner. Die Leute kennen sich oft
nicht mehr, auch das Bewusstsein, mit jemandem
verwandt zu sein, hat stark nachgelassen.
Im Vergleich zu früher sind die Familien heute
viel kleiner geworden: Familien mit mehr als drei
Kindern sind selten geworden. Obwohl die Häu-
ser bedeutend mehr Platz bieten, haben darin die
Grosseltern oder unverheiratete Geschwister kei-
nen Platz mehr. Man will sich nicht mehr in seine
privaten Angelegenheiten hineinreden lassen,
man will nicht mehr auf die Ansichten der Eltern
Rücksicht nehmen müssen. War die Versorgung
der Alten und Kranken früher in erster Linie eine
Aufgabe der eigenen Angehörigen, so müssen
heute immer mehr der Staat, die Gemeinden und
Versicherungen diese Aufgaben übernehmen.
Paul Vogt