Volltext: Die Stellvertretung des Fürsten

Abs. 4).109 Die übrigen neueren deutschen Verfassungen regeln die Regentschaft in deutlicher Unterscheidung von der Vormundschaft meist recht ausführlich. Die historische Auslegung lässt somit keinen eindeutigen Schluss zu, schliesst aber nicht zwingend aus, unter Vor­ mundschaft auch die Regierungsvormundschaft zu verstehen. Somit ist nach Sinn und Zweck der Erwähnung der Vormundschaft im Art. 3 zu fragen. Dabei ist auch die Erwähnung der Regentschaft in den Art. 85 und 87 mitzuberücksichtigen. Es wurde bereits ausge­ führt, dass die Art. 85 und 87 die Regentschaft nicht definieren, son­ dern voraussetzen. Welcher staatsrechtliche Sinn sollte nun aber der «Vormundschaft» im Art. 3 zukommen, wenn damit nur die privat­ rechtliche Seite der Vormundschaft gemeint ist, die ohnehin schon einen selbstverständlichen Bestandteil jeder Hausgesetzgebung bildet? Es ist hier auch zu bedenken — und dies sei wiederholt —, dass Art. 3 die Vormundschaft nicht im Zusammenhang mit privaten Fragen des Fürstenhauses erwähnt, sondern im gleichen Zug mit staatsrechtlich wesentlichen Punkten, nämlich der Thronfolge und der Volljährigkeit des Monarchen. Nur wenn die Vormundschaft des Art. 3 auch die Regierungsvormundschaft mitumfasst, kommt ihr eine vergleichbare staatliche Bedeutung zu. Noch ein anderer Ge­ sichtspunkt scheint hier wesentlich. Es ist nämlich zu vermuten, dass eine Staatsverfassung alle grundlegenden Fragen des Staates regelt. Hiezu gehört sicherlich, dass ein Staat stets ein handlungsfähiges Oberhaupt besitzt. Dieses Moment ist in erbmonarchischen Staaten geradezu von entscheidender Bedeutung, zumal in Liechtenstein, wo dem monarchischen Element ein Ubergewicht gegenüber anderen staatlichen Organen, insbesondere der Volksvertretung, zukommt.110 Liechtenstein als Erbmonarchie ist sowenig wie andere Erbmonar­ chien davor gefeit, dass ein Fürst an der Selbstausübung der Regie­ 109 Art. 5 Abs. 4 der Verfassung des Grossherzogtums Hessen vom 17. Dezember 1820 lautet: «Die diesen Grundsätzen (gemeint ist die Erbfolge; d. V.) gemässen näheren Bestimmungen, so wie die Bestimmungen über die Regentschaft während der Minderjährigkeit, oder anderer Verhinderung des Grossherzogs, werden durch das Hausgesetz festgesetzt, welches in so ferne einen Bestandtheil der Verfassung bildet.» ii° Vgl. für andere: Herbert Wille, Landtag und Wahlrecht im Spannungsfeld der politischen Kräfte in der Zeit von 1918—1939, erschienen in: Liechtenstein Politische Schriften, Band 8, 134. 51
	        

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