Volltext: Die Stellvertretung des Fürsten

gar oktroyiert, sondern in einer bestimmten geschichtlichen Situation aus den Verhandlungen der Beauftragten des Volkes und des Fürsten hervorgegangen. Diese Ereignisse, die in den Schlossabmachungen vom 11.9. 1920 greifbare vertragliche Gestalt gewonnen haben,9 sind so bekannt, dass sie hier nicht nochmals nacherzählt werden müssen.10 Von Bedeutung scheint mir jedoch die Einsicht, dass der Vertrags­ charakter der Verfassung auch in einer Reihe materieller Verfassungs­ normen seinen Ausdruck gefunden hat. Nur so sind die prinzipiellen Aussagen des Art. 2 der Verfassung zu verstehen, wonach das Für­ stentum einerseits «konstitutionelle Erbmonarchie» ist, andererseits aber «auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage» beruht und die Staatsgewalt sowohl «im Fürsten» wie «im Volke verankert» ist. Das hier gleich in zwei Aussagen hervorgehobene Gleichgewicht zwischen dem monarchischen und dem demokratischen Gedanken bleibt auch für zukünftige Verfassungsänderungen verbindlich. Ge­ mäss Art. 111 Abs. 2 der Verfassung in Verbindung mit Art. 65 Abs. 1 der Verfassung bedürfen Verfassungsänderungen einer qualifizierten Einigung von Landtag und Landesfürst. Im einzelnen hat die liechten­ steinische Verfassung ein im deutschen Sprach- und Rechtsraum ein­ zigartiges Mischsystem konstitutioneller und demokratisch-parlamen­ tarischer Elemente geschaffen. Klassische Normen des Konstitutiona­ lismus enthalten etwa die Artikel 7, 8, 9 und 10 der Verfassung. Die demokratisch-parlamentarische Komponente hat ihren Niederschlag in den Artikeln 45 und 46 der Verfassung, insbesondere aber in Art. 79 Abs. 2 der Verfassung gefunden. Das für die Berufung der Regierung erforderliche Einvernehmen von Landtag und Landesfürst markiert den entscheidenden Unterschied zwischen der liechtensteinischen Ver­ fassung und den in der deutschen Staatenwelt bis 1918 geltenden Kon­ stitutionen, welche die Berufung des Regierungschefs ausschliesslich durch den Monarchen vorsahen. Der historisch eindeutig verifizierbare Ursprung der liechtensteini­ schen Verfassung in Verhandlungen von Volk und Landesfürst sowie 9 Oberrheinische Nachrichten Nr. 85 vom 4. 11. 1922, Titelseite. 10 Grundlegend Herbert Wille, Landtag und Wahlrecht im Spannungsfeld der poli­ tischen Kräfte in der Zeit von 1918—1939, in: Beiträge zur geschichtlichen Ent­ wicklung der politischen Volksrechte, des Parlaments und der Gerichtsbarkeit in Liechtenstein (Liechtenstein Politische Schriften, Bd. 8), Vaduz 1981, S. 59 ff., 118 ff. 124
	        

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