SPS auf den Weg zurück zur demokratischen
Volkspartei. In der Schweiz hatte die Auseinan-
dersetzung um die ideologische Ausrichtung
der Gewerkschaften schon 1907 zur Gründung
des Christlichsozialen Gewerkschaftsbundes -
1921 in «Christlichnationaler Gewerkschafts-
bund» umbenannt - geführt. Diese Gründung
war als Gegengewicht zum klassenkämpferisch
ausgerichteten Schweizerischen Gewerkschafts-
bund gedacht. 1919 gründeten die christlichso-
zialen Organisationen aus Protest gegen den
Landesstreik von 1918 den christlichsozialen Ar-
veiterbund. Vor dem Hintergrund dieser ideolo-
gischen Divergenzen sind die Richtlinien zu se-
hen, die im bischöflichen Bettagsschreiben von
1920 aufgestellt wurden. Die Grundsätze dieses
Schreibens, welches auch in Liechtenstein von
allen Kanzeln verlesen wurde, lauteten:
«1. Wer zum Sozialismus als System, zu sei-
1en Grundanschauungen und Hauptzielen sich
offen bekennt, oder wer offen für die sozialisti-
sche Sache kämpft und wirbt, entbehrt, solange
er in dieser Gesinnung unbelehrbar verharren
will und verharrt, derjenigen Vorbedingung,
welche zum würdigen Empfang eines Sakra-
mentes unerlässlich ist.
2. Wer glaubt, aus schwerwiegenden Grün-
den gezwungen zu sein, einem sozialistischen
Verbande anzugehören, ohne dass er zum So-
zialismus als System sich bekennt oder für die
sozialistische. Sache wirkt (agiert), der hat sich
darüber mit seinem Pfarramte zu verständigen.
3. Wird vom Pfarramte ein vorläufiges Ver-
bleiben als duldbar erklärt, so ist unterdessen al-
les zu tun und zu meiden - hauptsächlich in Be-
zug auf sozialistische Presseerzeugnisse —- damit
für ihn oder andere keine schweren Gefahren
der Seele erwachsen.»
im Oktober 1920 unternahmen Geistliche in
Liechtenstein —- sicherlich bestärkt durch das
Schreiben der schweizerischen Bischöfe - noch-
mals den Versuch, eine christlich-soziale Ar-
beitervereinigung ins Leben zu rufen. Pfarrer
Franz von Reding von Triesenberg hielt in meh-
reren Gemeinden des Landes Versammlungen
«zwecks Gründung eines christlich-sozialen Ar-
beitervereins» ab. Darüber entspann sich in den
Ortssektionen und in den beiden Landeszeitun-
gen nochmals eine scharf geführte Diskussion
um die Frage der Mitgliedschaft bei sozialde-
mokratischen Gewerkschaften der Schweiz.
Während den Sympathisanten dieser Idee
«Liebäugeln mit dem Bolschewismus und mit
Moskau» vorgeworfen wurde und der Sozialis-
mus als eine «Verankerung des steten Unfrie-
dens und ein offenes Auftreten gegen den Für-
sten» gedeutet wurde, begründete die andere
Seite ihre Entscheidung mit der wirtschaftlichen
Zwangslage, in der die liechtensteinischen Ar-
beiter sich befänden. Dies betraf vorwiegend die
Bauarbeiter, weshalb diese Sektion des liech-
tensteinischen Arbeiterverbandes auch be-
schloss, sich der schweizerischen Bauarbeiter-
gewerkschaft anzuschliessen. Angste wurden
aber auch von Seiten des Arbeitervereines ge-
schürt. Es wurde mit der Drohung argumentiert,
die schweizerischen sozialdemokratischen Ver-
bände würden auf die Arbeiter, die einem christ-
lichen Verband angehörten, Druck ausüben, ja
eventuell sogar Aussperrungen vornehmen.