Volltext: 75 Jahre Liechtensteiner Alpenverein

Felix Vogt 
Bergwege 
Es gibt sicher wenige in unserem Land, die noch nie unsere Berg- 
wege betreten haben. Aber auch die Zahl derer ist klein, die alle unsere 
Bergwege schon mehrmals durchwandert haben. 
Es ist immer ein besonderes Gefühl, wenn wir von der Fahrstrasse 
auf den weichen Weidenweg ausscheren können, oder wenn wir in stel- 
lem Aufstieg über einen steinigen Bergpfad uns verausgaben können. 
Der Bergweg kann auch Ort der Begegnung werden, oder der Ein- 
samkeit und der Stille. Hier begegnen sich alt und jung, sie alle haben 
ihre Ziele. 
Die Jugend eilt, früh am Morgen gehen sie mit flinken Füssen berg- 
wärts, ihr Auge sucht die höchsten Spitzen und die kühnsten Grate. 
Abgekämpft und zufrieden kehren sie am Abend zurück, sie haben einen 
Teil ihrer Welt erobert und die Freude darüber steht in ihren Augen. 
Es kommen die Aelteren, sie sind schon früher diesen Weg gegan- 
gen. Damals haben sie die Blumen nicht gesehen und auch nicht die Alp, 
an der sie vorbeigegangen sind. Aber heute haben sie Zeit und Musse: 
Ihre Augen und ihr Herz wandern mehr, als es die müden Füsse ver- 
mögen. Sie duzen den alten, halbverfallenen Zaun oder den ewigjungen 
Bergbach. Sie riechen im Frühling am Seidelbast und im Sommer am 
Männertreu, im Herbst lieben sie den herben Duft der Gräser und 
Kräuter, die bereits der Frühfrost gegilbt hat. 
Es kommen die Fremden, die Gäste, die Rastlosen und Ruhesuchen- 
den. Sie eilen gegen den Aussichtspunkt, knipsen oder strecken ihren 
Kopf in die Landkarte und vergessen darob fast, dass man es geniessen 
sollte, stehen und staunen könnte. Sie alle sollen etwas vom Bergweg 
mit heimnehmen, das ihnen niemand nehmen kann, das sie aber auch 
weiterschenken können: Etwas von der Freude und Zufriedenheit, von 
der Besonnenheit und Bescheidenheit, die sie dort gefunden oder doch 
wenigstens gesehen haben. 
A
	        

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