Volltext: Geschichte des fürstlichen Hauses Liechtenstein

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Aber die Weltlage mußte sich erst darnach gestalten, bevor 
Erzherzog Karl, oder vielmehr der Kaiser Leopold für ihn, daran 
denken konnte, die Krone Spaniens nicht zu übernehmen, sondern 
zu erobern. Es fügte sich, daß die Seemächte, England und 
Holland, in den Krieg gegen Frankreich eintraten. Am 16. Mai 
1703 schloß sich auch der König von Portugal dem Bunde an 
imd versprach, den Erzherzog in Portugal aufzunehmen und mit 
einer Armee zu unterstützen. Die Seemächte ihrerseits zeigten 
sich bereitwillig, ihm die Krone Spaniens auf spanischem Boden 
erkämpfen zu helfen. 
Unter so günstigen Umständen konnte man in Wien end 
lich den Entschluß fassen, den jungen Erzherzog ziehen zu lassen. 
Es geschah mit schwerem Herzen. In der Familie des Kaisers 
herrschte das glücklichste, liebreichste Verhältniß. Karl war des 
Kaisers Liebling, auch dem Vater bei Weitem ähnlicher an äußerem 
Wesen und Charakter, als der feurige, energische und offene 
Joseph. Die Gefahren des Unternehmens lagen offen vor Augen. 
Es konnte ebensogut mißlingen wie gelingen, und was dann im 
abgeschlossenen fernen Lande? Der Erzherzog war jung und un 
erfahren, nicht alt genug, selbst zu entscheiden, fremdem Einfluß 
zugänglich. Und in wie vielerlei Gestalt mußte dieser von seinen 
Unterthanen, von Spaniern, Italienern, Niederländern, von seinen 
Bundesgenossen, den Engländern, Holländern und Portugiesen, 
von seinen Landsleuten und dem kaiserlichen Hose an ihn heran 
treten! Der kluge, im Jntriguenspiel erfahrene Kaiser Leopold 
konnte nicht umhin, vorauszusehen, welche Unannehmlichkeiten 
und Gefahren daraus entstehen würden. Er beherzigte auch die 
Gefahren der Sec, die Wechselfälle des Krieges und die Ver 
derblichkeit des Klimas, doppelt gefährlich bei so jungen Jahren. 
Unter diesen Umständen mußte ihm Alles an einem Manne 
gelegen sein, der sein vollstes Vertrauen besaß, der über Leben 
und Gesundheit seines Sohnes mit der Zärtlichkeit eines Vaters 
wachte und zugleich mit sicherer Hand und mit versöhnlichem 
vermittelndem Geiste unter diesen schwierigen Umständen die
	        

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