169
Obwohl die Urkunde somit den Schein der Echtheit für sich
hat, glauben wir doch, daß irgendwie eine Fälschung oder ein
Irrthum vorliegen muß, denn erstens ist es nach den übrigen
Lebensnachrichten, wie eben auseinandergesetzt, höchst unwahr
scheinlich, daß Rudolf schon so früh als Urtheilshelfer oder
Zeuge vorkommen sollte, zweitens konnte er damals unmöglich
den Titel Kämmerer von Steiermark führen, der seinem Vater
erst 1286 zum erstenmal beigelegt wird, und drittens endlich
war Ulrich von Liechtenstein, Rudolfs Großvater, damals
bereits unzweifelhaft gestorben. Von einem anderen Rudolf
und einem anderen Ulrich wissen wir zu dieser Zeit nichts,
und selbst wenn sie existirt hätten, so würde immer noch der
camerarius Stirie mit seiner unlösbaren Schwierigkeit übrig
bleiben. Dazu kommt nun noch, daß derselbe Streit zwischen
dem Hospital und einem anderen (?) Erchenger von Landesere
bereits im Jahr 1211 stattgefunden hatte und damals durch
Herzog Leopold VI. entschieden war, laut einer vom 18. Juli
zu Graz datirten Urkunde, welcher Dietmar von Liechtenstein
als Zeuge gedient hat. Diese zweite Urkunde scheint im
Original nicht vorhanden zu sein; der Abdruck in den „Mit
theilungen" i) ist nach einer im Jahre 1651 gemachten Abschrift
im Archiv des Joanneums in Graz genommen, während
Mciller in den Regesten * 2 ) den Abdruck in Hormayrs Archiv
zu Grunde gelegt hat. Beide stimmen aber in der Schreibung
der Namen durchaus nicht überein. Also genug der Gründe
für uns, um von jener frühen Erwähnung Rudolfs von
Liechtenstein oder der verspäteten seines Großvaters Ulrich
völlig abzusehen.
Die älteste Nachricht, welche uns der Reimchronist Otto
kar, der Freund und Schützling ihres Vaters, mittheilt, betrifft
beide Brüder zusammen und ertheilt ihnen gleich im Beginn
») Heft IX. 217.
2) 107.