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In der Burg vom Gesinde empfangen, fragten sie
nach dem Herrn, und die Diener antworteten ihnen, daß er
schlafe. Da sandten sie den Kämmerer und ließen Ulrich bitten
aufzustehen, wozu dieser auch gleich bereit war. Er kleidete
sich an, begrüßte sie als gute Freunde mit einer Umarmung
und führte sie hinaus auf den Burghof zu einer schönen Bank
unter der Linde. Dann ließ er Speise, Meth und Wein bringen
und die Herren waren froh und guter Dinge. Als man ge
gessen und getrunken hatte, bat Pilgerin den Burgherrn mit
ihnen auf die Baize zu gehen, sie hätten zwei schöne Sperber
dazu mitgebracht. Ulrich hatte des Bades wegen sich für diesen
Tag jenes Vergnügen versagt, gab aber den freundlichen Bitten
nach und hieß die Seinen Federspiel und Vogelhunde ins Feld
bringen. Sobald diese draußen waren, wußte Pilgerin auch die
wenigen, die zurückblieben, zu entfernen, indem er den einen hier
hin, den andern dorthin schickte, und als Ulrich allein bei ihnen
war, winkte Pilgerin plötzlich zweien seiner Knappen, die mit
ihnen waren; sie selbst zuckten die Messer und brachten Ulrich
drei Wunden bei; dann wanden sie ihm Rock und Mantel um
den Hals und schleppten ihn nach dem Thurm, während er
schrie und um sein Leben bat. Zugleich brachen andere Knappen
der beiden, die am Thor warteten, in die Burg hinein und
trieben Ulrich's noch übriges Gesinde hinaus. Auf Ulrichs
Geschrei lief seine Gemahlin herzu, aber die beiden Frevler
hießen sie hinaus gehen aus der Burg vor das Thor, wo sie
die Ihren finden werde; sie wollten, sagten sie, von ihrem
Herrn all sein Gut oder es koste sein Leben. Auch Ulrich bat
sie hinauszugehen und sie nahm dann die Kinder und ging.
Pilgerin aber entriß ihr den Sohn und hieß das Kind eben
falls bleiben; auch nahm er den Frauen die Kleider, die er
noch bei ihnen fand, und alle ihre Kleinodien. Dann trieb
er sie vor das Thor, von wo sie nach dem Lichtenstein zogen.
Die Nachricht von dieser Frevelthat verbreitete sich schnell
durch die Gegend und mehr denn dritthalbhundert Freunde
Falke. Liechtenstein. 7