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vierzig Meilen weit; außerdem war nichts mehr verabscheut
im Mittelalter, als die fürchterliche Krankheit, deren Gewand
Ulrich anziehen sollte. Dennoch war er bereit und machte sich
am Samstag Früh mit dem Boten und einem Knecht und sechs
Pferden auf, von denen zwei todt auf dem Wege liegen blieben.
Er erschien zu rechter Zeit und that, wie ihm geheißen war;
jedoch mußte er allerlei Ungemach ein paar Tage lang aus
stehen, bis ihm endlich die Zusammenkunft zutherl wurde, bei
welcher ihn die Herrin, umgeben von ihren Damen, empfing.
Aber die Unterredung endete in bitterer Täuschung. Ver
zweiflungsvoll verließ Ulrich ihre Burg, begab sich aus den
Liechtenstein zurück und suchte seinen Schmerz in der Aufregung
der Turniere zu vergessen, oder ihm in klagenden Minneliedern,
deren eine ganze Reihe in diese Zeit fällen, Luft zu machen.
Es war das im Jahre 1228. Die Herrin, die seinen Dienst
und seine Liebe nicht annehmen wollte, suchte ihn hinzuhalten
und zu ermüden, und verlangte endlich von ihm eine Fahrt
nach dem heiligen Grabe. Auch dazu war er bereit, nur solle
die Herrin ihm sagen, ob er als Pilger oder als Krieger ziehen
solle, und sie selber solle ihn ausrüsten und mit ihrem Segen
entlassen. Die Herrin stellte ihm diese letzte Zusammenkunft
zwar in Aussicht, aber sie verschob sie in die Ferne und hieß
Ulrich währenddeß keinen Boten senden. Die Langeweile des
Wartens und Harrens vertrieb er sich wieder auf Turnieren,
deren es damals aller Orten soviel gab, daß er des Sommers
wenigstens nicht still zn liegen brauchte, und int Winter dichtete
er eine Weise nach der anderen.
Darüber vergingen mehrere Jahre, bis endlich Ulrich der
ewigen Täuschungen.müde wird und seine Herrin in Gleich
gültigkeit verläßt, nachdem er noch erst in Zorn und Unmuth
einige Gedichte gegen sie gemacht hatte (1233). Aber so wenig
sein Herz wie seine Poesie konnte der ritterlichen Liebe ent
behren, und er erkor sich daher eine andere Frau, deren
Namen wir aber sowenig wissen, wie denjenigen der ersten