Volltext: Liechtenstein in Europa

als die im Eigengewicht ihrer Masse stehenden und von ihrem Poten­ tial gehaltenen mittleren und grossen Staaten. Im Kleinstaat ist nie­ mand Passagier; alle gehören zur Besatzung. Auch das Private be­ kommt hier bisweilen eine öffentliche Note. Niemand entgeht so der gesellschaftlichen Kontrolle, was auf den Betroffenen lähmend und hemmend wirken kann. Allerdings kann — und dies sei nicht verschwiegen — aus der Dichte des Verpflichtungsnetzes des Bürgers gegenüber der kleinen Gemeinschaft eine äusserst agile Behendigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit in Krisensituationen resultieren, die im Gegensatz zu elefantösen Bewegungsabläufen grösserer Staaten wiederum Vorteile aufweist. Aus all dem folgert, dass der Kleinstaat von seinen Bürgern klug und bedacht verwaltet, die verfügbaren staatlichen Mittel sparsam eingesetzt und die Zahl der realistischen Möglichkeiten zum vorn­ herein als sehr bescheiden veranschlagt werden müssen. Nichts ge­ ziemt dem Kleinen so schlecht wie Überheblichkeit und Arroganz; wenn Zwerge Riesen spielen, überschlägt das Lächerliche ins Wider­ wärtige. Bei Kenntnisnahme dieser politischen Ethik, muss man sich fragen, welche menschliche Gemeinschaft sich dieses ethischen Stan- darts rühmen kann. Eigentlich überfordert das staatliche Kleingebilde die politische Moral menschlichen Durchschnitts. Wenn ein Staat existiert, und sei er noch so klein, so muss er als Staat erscheinen und wirken. Man kann nicht ungestraft die Staatlichkeit beanspruchen, sich jedoch der Wirkung und Erscheinungsweise des Staatseins entziehen. Und sind alle Staaten letztlich gleichen Wesens, so müssen sie sich wenigstens ähnlich und vergleichbar darstellen. Das heisst nichts anderes, als dass auch dem Kleinstaat Pflichten aus der Völkergemeinschaft und aus dem Beziehungsnetz der Staaten untereinander erwachsen. Der Kleinstaat muss daher eine Aussen- politik formulieren und die Interdependenz der Staaten annehmen. In der Realisierung dieser Einsicht stecken Forderungen, Pflichten, Einsatz und Aufwand im Obermäss. Deshalb flieht der Kleinstaat gern vor aussenpolitischer Verantwortung in ein stilles Abseits oder er versteckt sich unter der Tarnmütze des Zwerges. Bisweilen ver­ sucht man im Kleinstaat, den Problemkreis Aussenpolitik zu verdrän­ gen. Was man der in Anspruch genommenen staatlichen Souveränität vorenthält, wird. mit populistischem Dörflertum kompensiert. Der Schaden wird nicht ausbleiben. 122
	        

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