Volltext: Stenographischer Verhandlungs-Bericht aus dem Kriminalprozess gegen Franz Thöny, Niko Beck, Anton Walser und Rudolf Carbone

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Tage alles Gute. Ist das nicht ein gewaltiger Hohn in dieser 
Situation? Er hier in Not und Elend, doppelt fühlbar für 
ihn der Leidensweg vom „Dolder" und „Adlon" bis zum 
Gefängnis von Brrdapest, bis nach Vaduz, während sie in 
fürstlicher Behausung am Kurfürstendamm in der stolzen 
Zimmerflucht ihrer 18 Zimmer sich am Leben sonnt und die 
Freudenstätten Berlins besucht, wie ich erfahre mit jenem Dr. 
Steiner, wo ihr vielleicht von betäubender Jazzband gerade 
der amerikanische Schlager entgegentönt: ,„Sunny Boy, 
Sunny Boy", sonniger Junge,, sonniger Junge .... ja, 
sonniger Junge. Und dann mag sie vielleicht an ihren Sohn 
hier in 'Vaduz denken. Meine Herren, damit schließe ich, es 
ist grausam und bitter, so schließen, zu müssen. Ich möchte 
Sie bitten, daß Sie dem Sohne zu gute halten, woran die 
Mutter selbst gehangen, woran sie selbst geglaubt und ihm 
all das anrechnen, was er seither durchmachen mußte. 
Seele des Menschen, wie gleichst Du dem Wasser . . . 
Schicksal des Menschen, wie gleichst Du dem Wind! 
Präsident: Dem Herrn Verteidiger des Herrn Carbone 
möchte ich bemerken, daß sein Klient mit gleich freundlicher 
bezw. unfreundlicher Mene betrachtet wurde wie die übrigen 
Angeklagten und daß in dieser Richtung kein Grund zur Klage 
bestcht. 
Meine Herren, nun kämen wir zur Replik und Duplik, 
da darf ich Wohl noch eine Bemerkung vorausschicken. Schon 
volle zehn Tage beschäftigen wir uns mit dieser Angelegen 
heit, nachdem, zwar nur. einem Teil des Gerichtes, die Akten 
bekannt waren, und wir haben dann in ausführlicher Weise 
die Angeklagten verhört,- die Zeugen vernommen und schließ- 
lich noch einen großen Teil der bedeutendsten Akten verlesen. 
Wir dürfen nun annehmen, daß die tatsächlichen Verhältnisse 
dem Gerichte bekannt sind. Ich darf daher die Bitte an die 
Herren Parteivertreter richten, der Replik und Duplik das 
Tatsächliche als bekannt vorauszusetzen und sich auf das Recht 
liche zu beschränken. Selbstverständlich habe ich kein ReLtsmit- 
tel, die Herren Vertreter dazu zu verhalten, aber ich muß 
Ihnen in aller Offenheit mitteilen, daß die Verhandlungen 
heute zu Ende' geführt werden müssen, unter allen Umstän? 
den. Ich bitte daher, sich wenn möglich nur noch auf die Er 
örterungen der rechtlichen Seite zu beschränken. 
Der. Herr Staatsanwalt hat das Wort: 
Staatsanwalt: Meine. Herren! Ich nehme die Anregung 
des Herrn Präsidenten außerordentlich gerne zur Kenntnis, 
weil auch ich der Meinung bin, daß es nicht mehr von wesent 
licher Bedeutung sein könnte, einzelne Tatbestände herauszu 
greifen und näher zu erörtern. Es sei mir nur gestattet, hu 
Telegrammstile einige Feststellungen zu machen. 
Der von Walser zu den Akten gelegte Vertrag mit dein 
Ministerium des Innern.mit Minister Goga ist ein Konzept 
.Walsers. 
Das Telegramm vom 1. Februar wurde von ihni be 
stätigt durch ein weiteres Telegramm an eine Frankfurter 
Bank. 
In Ordnungsnummer 47 ist festgestellt, daß Walser vorn 
11. Jänner 1924 bis 11. Jänner . 1928 Mitglied der Kon 
trollstelle war und daß die Ostschweizerische Treuhandgesell 
schaft vom 24. Oktober 1923 bis 24. Oktober 1927 Mitglied 
der Kontrollstelle war und am 18. Februar 1928 neuerdings 
zum Mitglied der Kontrollstelle bestellt wurde, daß der Ver 
waltungsrat bestand, und gewählt war, daß zwei Mitglieder 
die Wahl- abgelehnt haben, daß aber zwei Ersatzmänner wa 
ren und infolgedessen der Verwaltungsrat hätte einberufen 
werden können. Das ist festgestellt worden auf Grund öffent 
licher Urkunden mit voller Beweiskraft (Ordnungsnummcr 
47). .... 
Damit komme ich zuin Rechtlichen: Die Ausdehnung der - 
Anklage erfolgte nicht und insbesondere nicht heute gerügten 
Umfange.. Die Anklage wurde ergänzt hinsichtlich der Schädi- 
gung an Rechten. Hinsichtlich der Bestimmungen des § 101. 
Verbrechen des Mißbrauches der Anitsgewalt wegen Walser 
und hinsichtlich der Mitschuld hieran durch Thöny wurde der 
Fall ausschließlich dem Gericht zur Beurteilung anheimge- 
.stellt, ohne daß ein diesbezüglicher Antrag gestellt worden 
wäre von der öffentlichen Anklagebehörde, deswegen ,weil 
gemäß 8 203 St. P. O. das Gericht diese Fragen ohne wei 
teres und selbst zu würdigen und den unter Anklage gestellten 
Tatbestand den betreffenden Gesetzesstellen zu unterstellen hat. 
Die Anklage geht nicht dahin, daß der gesetzliche Vertreter der 
Spar- und Leihkasse in Irrtum geführt worden sei, die An 
klage geht dahin, daß die gesetzliche Vertretung der Sparkasse 
in Irrtum geführt worden sei. Die gesetzliche Vertretung der 
Anstalt als einer Anstalt öffentlichen Rechtes ist dje Gesamt- 
heit sämtlicher ihrer Organe. Die gesetzliche Vertretung ist 
ein Kollektivbegriff, der die gesamten in Art. 21 des Gesetzes 
vom 12. Jänner 1923 genannten Organe in sich beinhaltet. 
Daher ist es nicht richtig, wenn gesagt wird, daß nicht ein 
Irregeführter da war oder daß ein falsch bezeichneter Irrege 
führter genannt worden wäre,- da nicht der Verwalter selbst 
sich in Irrtum führen konnte..Es heißt ausdrücklich in den 
anderen Fällen Carbone, daß der Verwalter Thöny in Irr 
tum geführt wurde, wodurch die Sparkasse Schaden leiden 
sollte; diesfalls aber heißt es: die gesetzliche Vertretung, die 
Gesamtheit der Organe. Es wird gesagt, § 197 wegen des 
Verbrechens des Betruges kann nicht angewendet werden. 
Ich bitte, in dieser Richtung einzig und allein sich den. Ge- 
setzestert vor Augen zu halten: „Wer durch listige Vorstel 
lungen oder Handlungen einen anderen in Irrtum führt, 
durch welchen jemand, sei es der Staat, eine Gemeinde oder 
andere Person, an seinem Eigentum oder anderen Rechten, 
Schaden leiden soll, oder wer in dieser Absicht und auf die ] 
eben erwähnte Art eines anderen Irrtum oder Unwissenheit i 
benützt, begeht einen Betrug; er mag sich hiezu durch Eigen- I 
nutz. Leidenschaft, durch die Absicht, jemanden gesetzwidrig 1 
zu begünstigen oder sonst durch was immer für eine Neben- j 
absicht haben verleiten lassen." Also nicht nur.listige Hand- > 
lung, sondern auch listige Vorstellung ist vollkommen hinrci-1 
chend zur Objektivierung des Tatbestandes des' Betruges hin-1 
sichtlich des Jrreführungsmomentes. Listige Vorstellungen > 
sowohl als auch Handlungen können andere in Irrtum I 
führen. Ausdrücklich falsche Angaben sind nicht Voraussetzung. » 
Es genügt ein unter Ausnützung einer Situation zur Schau V 
getragenes Benehmen, das geeignet ist, eine irrige Meinung 1 
über den Sachverhalt hervorzurufen. In Irrtum "geführt W 
wurde die gesetzliche Vertretung der fürstlich-liechtensteinischen > 
Sparkasse dadurch, daß einerseits nie und nimmer etwas da-1 
von gesagt wurde, daß alles das vor ihr -verheimlicht wurde, W 
daß Verbindlichkeiten eingegangen wurden für die Sparkasse I 
ohne Kenntnis der gesetzlichen Vertretung, durch die die Spar-M 
fasse naturgemäß ein. Schaden erleiden mußte. >
	        

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