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Tage alles Gute. Ist das nicht ein gewaltiger Hohn in dieser
Situation? Er hier in Not und Elend, doppelt fühlbar für
ihn der Leidensweg vom „Dolder" und „Adlon" bis zum
Gefängnis von Brrdapest, bis nach Vaduz, während sie in
fürstlicher Behausung am Kurfürstendamm in der stolzen
Zimmerflucht ihrer 18 Zimmer sich am Leben sonnt und die
Freudenstätten Berlins besucht, wie ich erfahre mit jenem Dr.
Steiner, wo ihr vielleicht von betäubender Jazzband gerade
der amerikanische Schlager entgegentönt: ,„Sunny Boy,
Sunny Boy", sonniger Junge,, sonniger Junge .... ja,
sonniger Junge. Und dann mag sie vielleicht an ihren Sohn
hier in 'Vaduz denken. Meine Herren, damit schließe ich, es
ist grausam und bitter, so schließen, zu müssen. Ich möchte
Sie bitten, daß Sie dem Sohne zu gute halten, woran die
Mutter selbst gehangen, woran sie selbst geglaubt und ihm
all das anrechnen, was er seither durchmachen mußte.
Seele des Menschen, wie gleichst Du dem Wasser . . .
Schicksal des Menschen, wie gleichst Du dem Wind!
Präsident: Dem Herrn Verteidiger des Herrn Carbone
möchte ich bemerken, daß sein Klient mit gleich freundlicher
bezw. unfreundlicher Mene betrachtet wurde wie die übrigen
Angeklagten und daß in dieser Richtung kein Grund zur Klage
bestcht.
Meine Herren, nun kämen wir zur Replik und Duplik,
da darf ich Wohl noch eine Bemerkung vorausschicken. Schon
volle zehn Tage beschäftigen wir uns mit dieser Angelegen
heit, nachdem, zwar nur. einem Teil des Gerichtes, die Akten
bekannt waren, und wir haben dann in ausführlicher Weise
die Angeklagten verhört,- die Zeugen vernommen und schließ-
lich noch einen großen Teil der bedeutendsten Akten verlesen.
Wir dürfen nun annehmen, daß die tatsächlichen Verhältnisse
dem Gerichte bekannt sind. Ich darf daher die Bitte an die
Herren Parteivertreter richten, der Replik und Duplik das
Tatsächliche als bekannt vorauszusetzen und sich auf das Recht
liche zu beschränken. Selbstverständlich habe ich kein ReLtsmit-
tel, die Herren Vertreter dazu zu verhalten, aber ich muß
Ihnen in aller Offenheit mitteilen, daß die Verhandlungen
heute zu Ende' geführt werden müssen, unter allen Umstän?
den. Ich bitte daher, sich wenn möglich nur noch auf die Er
örterungen der rechtlichen Seite zu beschränken.
Der. Herr Staatsanwalt hat das Wort:
Staatsanwalt: Meine. Herren! Ich nehme die Anregung
des Herrn Präsidenten außerordentlich gerne zur Kenntnis,
weil auch ich der Meinung bin, daß es nicht mehr von wesent
licher Bedeutung sein könnte, einzelne Tatbestände herauszu
greifen und näher zu erörtern. Es sei mir nur gestattet, hu
Telegrammstile einige Feststellungen zu machen.
Der von Walser zu den Akten gelegte Vertrag mit dein
Ministerium des Innern.mit Minister Goga ist ein Konzept
.Walsers.
Das Telegramm vom 1. Februar wurde von ihni be
stätigt durch ein weiteres Telegramm an eine Frankfurter
Bank.
In Ordnungsnummer 47 ist festgestellt, daß Walser vorn
11. Jänner 1924 bis 11. Jänner . 1928 Mitglied der Kon
trollstelle war und daß die Ostschweizerische Treuhandgesell
schaft vom 24. Oktober 1923 bis 24. Oktober 1927 Mitglied
der Kontrollstelle war und am 18. Februar 1928 neuerdings
zum Mitglied der Kontrollstelle bestellt wurde, daß der Ver
waltungsrat bestand, und gewählt war, daß zwei Mitglieder
die Wahl- abgelehnt haben, daß aber zwei Ersatzmänner wa
ren und infolgedessen der Verwaltungsrat hätte einberufen
werden können. Das ist festgestellt worden auf Grund öffent
licher Urkunden mit voller Beweiskraft (Ordnungsnummcr
47). ....
Damit komme ich zuin Rechtlichen: Die Ausdehnung der -
Anklage erfolgte nicht und insbesondere nicht heute gerügten
Umfange.. Die Anklage wurde ergänzt hinsichtlich der Schädi-
gung an Rechten. Hinsichtlich der Bestimmungen des § 101.
Verbrechen des Mißbrauches der Anitsgewalt wegen Walser
und hinsichtlich der Mitschuld hieran durch Thöny wurde der
Fall ausschließlich dem Gericht zur Beurteilung anheimge-
.stellt, ohne daß ein diesbezüglicher Antrag gestellt worden
wäre von der öffentlichen Anklagebehörde, deswegen ,weil
gemäß 8 203 St. P. O. das Gericht diese Fragen ohne wei
teres und selbst zu würdigen und den unter Anklage gestellten
Tatbestand den betreffenden Gesetzesstellen zu unterstellen hat.
Die Anklage geht nicht dahin, daß der gesetzliche Vertreter der
Spar- und Leihkasse in Irrtum geführt worden sei, die An
klage geht dahin, daß die gesetzliche Vertretung der Sparkasse
in Irrtum geführt worden sei. Die gesetzliche Vertretung der
Anstalt als einer Anstalt öffentlichen Rechtes ist dje Gesamt-
heit sämtlicher ihrer Organe. Die gesetzliche Vertretung ist
ein Kollektivbegriff, der die gesamten in Art. 21 des Gesetzes
vom 12. Jänner 1923 genannten Organe in sich beinhaltet.
Daher ist es nicht richtig, wenn gesagt wird, daß nicht ein
Irregeführter da war oder daß ein falsch bezeichneter Irrege
führter genannt worden wäre,- da nicht der Verwalter selbst
sich in Irrtum führen konnte..Es heißt ausdrücklich in den
anderen Fällen Carbone, daß der Verwalter Thöny in Irr
tum geführt wurde, wodurch die Sparkasse Schaden leiden
sollte; diesfalls aber heißt es: die gesetzliche Vertretung, die
Gesamtheit der Organe. Es wird gesagt, § 197 wegen des
Verbrechens des Betruges kann nicht angewendet werden.
Ich bitte, in dieser Richtung einzig und allein sich den. Ge-
setzestert vor Augen zu halten: „Wer durch listige Vorstel
lungen oder Handlungen einen anderen in Irrtum führt,
durch welchen jemand, sei es der Staat, eine Gemeinde oder
andere Person, an seinem Eigentum oder anderen Rechten,
Schaden leiden soll, oder wer in dieser Absicht und auf die ]
eben erwähnte Art eines anderen Irrtum oder Unwissenheit i
benützt, begeht einen Betrug; er mag sich hiezu durch Eigen- I
nutz. Leidenschaft, durch die Absicht, jemanden gesetzwidrig 1
zu begünstigen oder sonst durch was immer für eine Neben- j
absicht haben verleiten lassen." Also nicht nur.listige Hand- >
lung, sondern auch listige Vorstellung ist vollkommen hinrci-1
chend zur Objektivierung des Tatbestandes des' Betruges hin-1
sichtlich des Jrreführungsmomentes. Listige Vorstellungen >
sowohl als auch Handlungen können andere in Irrtum I
führen. Ausdrücklich falsche Angaben sind nicht Voraussetzung. »
Es genügt ein unter Ausnützung einer Situation zur Schau V
getragenes Benehmen, das geeignet ist, eine irrige Meinung 1
über den Sachverhalt hervorzurufen. In Irrtum "geführt W
wurde die gesetzliche Vertretung der fürstlich-liechtensteinischen >
Sparkasse dadurch, daß einerseits nie und nimmer etwas da-1
von gesagt wurde, daß alles das vor ihr -verheimlicht wurde, W
daß Verbindlichkeiten eingegangen wurden für die Sparkasse I
ohne Kenntnis der gesetzlichen Vertretung, durch die die Spar-M
fasse naturgemäß ein. Schaden erleiden mußte. >