Volltext: Stenographischer Verhandlungs-Bericht aus dem Kriminalprozess gegen Franz Thöny, Niko Beck, Anton Walser und Rudolf Carbone

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meines Klienten zu Ende ging. Ich hübe-bereits anhand von 
Zählen- kürz-orienüert/ welch' praktifche'-Ergebnisseraus diesen 
Verträgen'erzielt wurden und .wie naturgemäß, nachdem'diese 
immensen - Verbesserungen geglückt - waren, große Aussichten 
für -die Zukunft absolut gerechtfertigt - waren. Diese Auf 
fassung' hat-auch- Dr. Steiner dokumentiert im Aktenstück 26, 
Aktenmappe- X-VIIa, Faszr 1. Der Glaube an diesen Welt- 
handelsartikel war deshalb sachlich begründet'und durch 
Unterlagen' ausgewiesen, und.' es hüt übereinstimmend mit 
dem Sohne auch die Mutter den gleichen Glauben gehabt. 
Sie haben das konkrete Bild der erwähnten Vollmacht vom 
16: August; 1927, wo die Mutter dem Sahne für die Ver 
wertung der' Patente Richtlinien gibt und die gewaltige» 
Zahlen'nennt, die ich angeführt habe. Meine Herren, das ist 
nun das Bild, woraus sich die Auffassung über die Hand 
lungsweise meines- Klienten gewinnen läßt. Ich fasse zu 
sammen: .Patentrechtlich: die'patentrechtliche Mitinhaber 
schaft. Cärbone ist Miteigentümer bei den alten und neuen 
Patenten. Er: ist finanziell, beteiligt nach den Erklärungen 
der. Mutter, nach seinem Briefwechsel mit ihr. Er ist ver 
fügungsberechtigt: wir haben die Erklärung in zweifacher 
Richtung, von Mutter und Dr. Steiner. Er- hatte die Voll 
macht zu Unterhandlungen, und er hat unterhandelt mit 
Patentanwälten, mit Fabrikanten wegen der Fabrikation, 
mit Verwertern der- Lizenzen, er hat die Verhandlungen 
geführt und die Korrespondenzen. Es waren große, konkrete 
Werte zu erwarten. Meine Herren, wenn von dieser ganzen 
Geschichte im August 1927 die Rede gewesen wäre, in ge 
wissem Sinne die Rede gewesen ist, so haben alle Leute auf 
solide, gute Grundlage gebaut. Man kann ja leicht sagen, 
waS man ihm-erklärt hat, , ja, hast Du nur einen einzigen 
Franken aus all'diesen Verwertungen schon geschen und wo 
ist das-Geld? Ja. er hat Geld daraus von seiner Mutter be 
kommen: die heute noch die Nutznießerin ist und es besser ver 
steht' als' der Sohn, das Geld rasch zur Hand'zu nehmen. 
Und wenn ich übrigens im Mai 1927 das für- mich ent 
scheidende-Patent für Amerika erst erhielt und ich werde schon 
im Jahre 1928 verhaftet: so kann kein Mensch von mir erwar 
ten, daß ich im Momente der Verhaftung ein derartiges-Ob 
jekt schon verwertet haben soll. Wer wirtschaftlich zu denken 
gewöhnt ist — und das sind- Sie ja. — wird sich sagen müs 
sen, derartige Dinge kann man nicht von heute auf morgen 
konkret auswerten. Aber das kann man mit gutem Gewissen 
sagen, daß diese Aussichten für Carbone bestanden, und es ist 
bedauerlich für alle Angeklagten, daß die plötzliche, unver 
hoffte Verhaftung einen grausamen Strich durch diese Pa 
tentrechnung. zog. 
Meine Herren, bezüglich der Zivilklage bedarf es nicht 
mehr weiterer' Ausführungen. Ich möchte den Zivilkläger ge 
beten haben, von der Erklärung meines Klienten, soweit sie 
erwähnt worden ist, Notiz zu nehmen. 
Nun muß ich noch dem Beispiel, dem traurigen Bei 
spiel meiner Kollegen folgen und auch für den Eventualfall 
einer Bestrafung noch gewisse. Milderungsgründe erwähnen. 
In dieser Richtung verweise ich auf dasjenige, was seitens der 
Herren Kollegen schon vorgebracht wurde auch zu Gunsten 
meines'Klienten Und bemerke noch: Die Erziehung meines 
Klienten war sehr vernachlässigt, das ist ein Grund, der nach 
§. 46 als Milderungsgrund angeführt wird. Das Hotelleben 
ist keine Stätte:der Erziehung und'Gouvernanten und Kam 
merzofen ersetzen.-.in Gottes Namen kein Mutterherz. Diese 
Tatsache- trifft für^meinen Klienten zu, und es war ein grau 
sames.Angebinde, das ihm die Natur- in die Wiege gelegt hat, 
derart erzogen worden zu. sein. „Aus Antrieb-von Dritten-ge 
handelt" : Meine Herren, ich sage nochmals, das Schicksal aller 
geht mir nahe, ich werfe keine Steine auf die andern Ange 
klagten, zitiere nur einen Ausspruch aus dem Untersuchungs 
bericht, daß Carbone derjenige war, der nach einer Reihe 
schon vollzogener Begangenschaften nachträglich erst in die 
Sache „hineingezogen" worden ist. Das dritte Moment kommt 
hinzu: Hat er mit „vorgefaßter Absicht" gehandelt oder nur 
die ihm „äufgestoßene" Gelegenheit benützt? Da erübrigt 
sich, glaube ich, alle weitere Ausführung. Ich könnte auch 
sagen, wie gestern einer der Herren Verteidiger, ausgeführt 
hat „führe uns nicht in Versuchung". Verursachung des Scha 
dens-und Wille, denselben „gut zu machen". Meine Herren, 
ich bin mit etwelchem Optimismus an die Sache gegangen, 
in der Erwägung,, daß ich mir sägte, eine Schadloshaltüng 
könne restlos erfolgen. Ich könnte noch eine Stunde reden, 
wollte-ich Ihnen dartun, was ich alles in dieser Richtung ver 
sucht habe, in Berlin, in Südamerika und anderswo, und wie 
ich erfahren mußte, daß gerade hier sich das Sprichwort be 
wahrheitete „Freunde in der Not gegen hundert auf ein 
Lot", und wie selbst die eigene Mütter mir auf ein Telephon- 
gefpräch erklärte: „Ach Gott, Herr Doktor, ich kann nichts tun 
für meinen Sohn." Sie wohnen doch so fürstlich am Kur 
fürstendamm und Ihr Sohn schmachtet hier in Untersuch 
ungshaft: Und er hat die Gelder verbraucht und ich 
soll sie zurückzahlen. Ich will es probieren und nach Süd 
amerika kabeln, meine Brüder können vielleicht etwas tun, 
viel wird es nicht sein Sie haben doch eigene Mittel 
in Berlin und sind so gut gestellt wie kaum jemand 
Aber nein, ich habe doch kein Vermögen, ich kann nichts tun. 
Im übrigen haben meine Brüder auch nicht viel Vermögen, 
.... Aber ich habe bei Banken -festgestellt, wie die' Brüder 
sich selbst eingeschätzt haben: sür mehrfache Millionäre. .... 
Da müssen Sie falsch orientiert sein Aber das ist 
doch merkwürdig, daß alles falsch ist', was ich Ihnen sage 
und die entscheidenden Informationen - aus direkter Quelle 
nichts sein sollen. 
Das war der Mutter ganzes Telephongespräch in dieser 
entscheidenden Stunde. Ich schließe dieses Kapitel, es ist zu 
traurig. Eine solche Enttäuschung habe ich noch nie erlebt, 
ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß eine Mutter sich 
derartiges leisten kann. Meine Herren, ein weiterer.Milde 
rungsgrund: Er war in Budapest drei Monate in Gefangen 
schaft. Auf der einen Seite diese Notlage, diese entsetzlichen 
Qualen in jenem WanzeNgefängnis, das brauche ich nicht zu 
schildern. Auf der andern Seite, das wissen Sie, die leichte 
Möglichkeit,, dort zu entfliehen. Die leichte Möglichkeit, ich 
könnte noch deutlicher, werden, wie man ihm sagte, wie es zu 
machen ist und wie leicht es gewesen wäre, zu verschwinden. 
Er hat es nicht getan, er hat den Brief, der bei den Akten 
verlesen wurde, Herrn Dr. Lenzlinger geschrieben,, worin es 
heißt: „Bitte schauen Sie, daß ich rasch nach Vaduz komme, 
ich habe das Bedürfnis, mich zu rechtfertigen". Das muß 
schwer in die Wagschale fallen unter solch harten Umständen, 
wie es hier der Fall war. Dann, meine Herren, die Haft an 
sich geht, toie die übrigen Herren Verteidiger schon ausge 
führt haben, bereits weit über dasjenige, was im Gesetze von 
1922 als Mindest-Strafmaß niedergelegt ist. Diese Haft hat 
Carbone in keiner Weise verschuldet oder länger hingezogen. 
Dabei wollen Sie berücksichtigen: daß in diesem riesigen Akten 
material und diesem langen Verfahren mein Klient nur ein
	        

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