Volltext: Stenographischer Verhandlungs-Bericht aus dem Kriminalprozess gegen Franz Thöny, Niko Beck, Anton Walser und Rudolf Carbone

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nach österreichischem Recht nicht für vorliegend erachtete, ins 
besondere, weil nach seiner Ansicht eine Schädigungsabsicht 
nicht vorhanden war.' 
Ich lese Ihnen hier einige Abschnitte ans dein Urteil 
des Landesgerichtes Feldkirch kurz vor: 
„Nach § 197 Strafgesetz begeht Betrug, wer durch 
listige Vorstellungen oder Handlungen, einen andern in 
Irrtum führt, durch welchen jemand, sei es der Staat, 
eine Gemeinde, oder andere Person, an, seinem Eigen 
tum oder andern Rechten Schaden leiden soll; oder wer 
in der Absicht und auf die oben erwähnte Art eines an 
dern Irrtum oder Unwissenheit benützt, begeht einen 
Betrug: er mag hiezu durch Eigennutz, Leidenschaft, 
durch die Absicht, jemanden gesetzwidrig zu begünstigen 
oder sonst durch was immer für eine Nebenabsicht sich 
haben verleiten lassen. Ein Betrug nach österreichischein 
Strafgesetz ist somit Irreführung bezw. Erhaltung im 
Irrtum durch listige Vorstellungen oder Handlungen 
in der Absicht, jemandem rechtswidrig einen Schaden 
zuzufügen. Nach § 263 Strafgesetz des deutschen Rechts: 
Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechts 
widrigen Verinögensvorteil zu verschaffen, das Vermö 
gen eines andern dadurch beschädigt, daß er durch Vor 
spiegelung falscher oder Unterdrückung wahrer Tat 
sachen Irrtum erregt oder unterhält, begeht Betrug. 
Ganz ähnlich definiert das schweizerische Gesetz den Be 
trug: Nach Art. 68 des Strafgesetzes für den Kanton 
St. Gallen heißt es: Wer in der Absicht auf einen rechts 
widrigen Verinögensvorteil für sich oder andere jeman 
den an seinem Vermögen dadurch beschädigt, das; er 
durch Vorbringen falscher oder durch Entstellung oder 
Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erzeugt 
oder unterhält oder benützt, begeht Betrug. Bcinl Ver 
gleichen ersieht' inan, daß der Betrug nach dcutschcin 
und nach schweizerischem Recht, wie überhaupt nach den 
neuen Gesetzen-ein gewinnsüchtiges Delikt ist — das 
Begriffsmerkmal heißt: Rechtswidrigen Verinögcnsoor- 
teil zu verschaffen — und der Betrugsbegriff auf den 
Verinögensbetrug und auf den in Bereichcrungsabsicht 
verübten Betrug beschränkt ist, währenddem nach öster 
reichischem Rechte zum Betrug erforderlich ist Schädi 
gungsabsicht, Betrug ein Schädiguugsdclikt ist. Es 
heißt im §. 197: „an seinem Eigentum oder an andern 
Rechten Schaden leiden soll". Ein beabsichtigter Ver- 
mögensvortcil ist nicht notwendig und die Schädigung 
mag, wie es im Gesetze heißt, ans was immer für 
einer Nebenabsicht erfolgt sein. Es ist nun zu prüfen, 
ob durch das Verhalten des Angeklagten die Begrifss- 
mcrkmalc des Verbrechens des Betruges verwirklich 
sind. Der Angeklagte hatte schon iin Jahre 1913 in. 
der Schweiz sich mit dem Gedanken getragen, eine 
Maschine-für den Stickereibctricb herzustellen. Durch 
die Notwendigkeit, für den Unterhalt der Familien 
angehörigen beizutragen, konnte er sich nnr zeitweilig 
der Ausführung seines Planes widmen. Da ihm auch 
das nötige Kapital fehlte, mir die Maschine herzustellen, 
wandte er sich an eine Reihe von Personen,' die er 
durch bewußt falsche Angaben zur Leistung van Zah 
lungen bewog oder zu bewegen versuchte ... Es unter 
liegt nach dem Gesagten keinem Zweifel, daß der An 
geklagte die im Urteilsspruch angeführten Personen 
durch listige Vorstellung in Irrtum führte, sodaß diese- 
Begriffsmerkmal des Betruges durch das Verhalten 
des Angeklagten erschöpft ist. Was die SchädigungS- 
absicht betrifft, so ist folgendes zu ertvahnen: Der An 
geklagte behauptete in der Voruntersuchung der heu 
tigen Hauptverhandlung, stets der felsenfesten Ueber 
zeugung gewesen zu sein vom Zustandekommen einer 
voll gebrauchsfähigen Maschine .... Im Urteil des 
Kantonsgerichtes St. Gallen steht: Spettcl konnte an 
die Tauglichkeit seiner Erfindung glauben . . . Auf 
Grund des Gesagten überzeuge sich der Gerichtshof, daß 
dem Angeklagten von Anfang an eine Schädigungs 
absicht nicht zugerechnet werden kann, daß er vielmehr 
immer voller Zuversicht und guten Glaubens war, eine 
andere Maschine übertreffende Ausschneide-Maschine 
herstellen zu können. Es darf dabei die Psyche eines 
Erfinders nicht außer Betracht gelassen werden .... 
Aus dem Unterschiede - der den Betrug nach öster 
reichischem und schweizerischem Strafrecht charaktcri- 
sierenden Absicht der Schädigung und der Erlangung 
eines rechtswidrigen Vcrmögcnsvorteiles, einer Be 
reicherung, kam der Gerichtshof deshalb zum Ergebnis, 
daß, wenn auch der Angeklagte sich widerrechtlich einen 
Vermögensvorteil zu verschaffeir vermochte, was zmn 
Schuldspruche des Kantonsgerichtcs St. Gallen führte, 
der Angeklagte mangels einer Sckiädigungsabsicht ge 
mäß 8 259 Strafprozeßordnung freizusprechen sei." 
Nach der Lektüre dieses Urteils brauche ich wohl nicht 
mehr viele Worte über unsern Fall zu machen. Auch unsere 
Angeklagten waren der festen Ueberzeugung, daß das Ru- 
mänienprojckt gelinge, auch ihnen fehlte jede Schädigungs 
absicht. 
Verzeihen Sie, wenn ich mit der Lektüre des Urteils 
des Landcsgerichtcs Feldkirch etwas lange geworden bin. Doch 
glaube ich, der Vergleich zwischen dem schweizerischen und 
österreichischen Rechte in diesem Urteil sei ein so ausgezeich 
neter und der Begriff der Schädigungsabsicht sei in diesem 
Urteil so scharf hervorgehoben, daß der verlesene Entscheid 
für die Entscheidung, die Sie nun zu fällen haben, außer 
ordentlich bedeutungsvoll ist und.übrigens gewichtige Argu 
mente zu Gunsten insbesondere meines Klienten Beck enthalte. 
Ich weiß nun genau, daß bei der Frage der Schä 
digungsabsicht der heikle Begriff des dolus eoentua- 
lis nicht unberührt gelassen werden darf. Verzeihen Sie, 
wenn ich mich auch noch in dieses, strafrechtliche Detail 
einlasse, das das Plaidoyer vielleicht etwas erschwert. 
Es ist in der österreichischen Rechtslehre, im' Gegensatz üb 
rigens zur Inditatur umstritten, ob dolus. eventualis 
für die Schadensabsicht genüge oder ob sie nur dann 
gegeben sei. utenn direkter Vorsah vorliegt, wenn Wil 
len und Wissen der Schädigung vorhanden sind^sJch muß 
hier noch kurz erklären, was dolus eventualis ist. Er 
ist am Besten in der. .sogen. Frank'schen Formel definiert 
worden. Dem Buche von Hafter, Lehrbuch des schweiz. 
Strafrechtes, allgemeiner Teil. 1926, Seite 112, ent 
nehme ich: ..Der Richter mutz zur Ueberzeugung ge 
langen, der Täter habe trotz der Voraussicht der Mög 
lichkeit des Erfolges sich v. Handeln nicht abhalten lassen. 
Kommt man zu dem Ergebnis, daß der Täter auch bei
	        

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