Volltext: Stenographischer Verhandlungs-Bericht aus dem Kriminalprozess gegen Franz Thöny, Niko Beck, Anton Walser und Rudolf Carbone

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und wiederhole, daß die listige Handlung selbst — und daraus 
läuft im Grunde genommen die Ansicht des Herrn Staats 
anwaltes hinaus — dass also die listige Handlung selbst — 
in unserm Falle die Nichtbuchung — nicht selbst den Be- 
trugstatbestand bilden kann. Wäre die Ansicht des Herrn 
Staatsanwaltes richtig, so wäre immer dann, wenn überhaupt 
eine listige Handlung vorliegt, gleich auch schon Betrug ge 
geben, weil der listig Handelnde selbstverständlich immer die 
Absicht hat, den, der überlistet werden soll, an seinem. Kon 
troll- und Aufsichtsrecht, seinem Recht auf Wahrheit zu schä 
digen. Dadurch würde aber der strenge österreichische Betrugs 
begriff in sein Gegenteil verkehrt, indem bei jeder listigen 
Handlung ohne weiteres schon Betrug vorhanden wäre. Die 
strenge Anforderung der absichtlichen Vermögensschädigung, 
die den österreichischen Betrugsbegriff vor den ausländischen 
Betrugsbegrifsen auszeichnet, würde illusorisch und hinfällig. 
Ich berufe mich hiefür auf Lainmnsch: Grundriß des 
Strafrechtes, Leipzig 1906, Seite 80, wo er sagt: 
„Nach moderner Auffassung steht dem Staate bezw. 
den Staatsorganen kein allgemeines Recht auf Wahr 
heit und kein allgemeines Aussichtsrecht von der Art zu, 
daß es den im 8 197 jedem subjektiven Recht zugespro 
chenen Schuh gegen Schädigungen durch Täuschung be 
anspruchen könnte. Der Betrugsbegriff des 8 197 setzt 
vielmehr für alle Fälle eine von der Täuschung verschie 
dene, aus derselben erst entstehende Schädigung voraus. 
Es darf daher niemals, auch nicht bei Angriffen auf den 
Staat und dessen Organe die Täuschung selbst als Schä 
digung angesehen werden. Irreführung der öffentlichen 
Aufsicht als solcher ist vielmehr, wenn überhaupt, so nur 
nach 8 320 Uebertretung zu bestrafen." 
So dann zitiere ich Ihnen Finger: Das Strafrecht, II. 
-Band, Berlin 1914, Seite 575: 
„In der neuern Literatur ist ein Fortschritt insoweit 
festzustellen, als die Anschauung-zum Siege gelangt, 
daß im Gegensatz zur herrschenden Praxis eine beschrän 
kende Auslegung des 8 197 Strafgesetz durch schärfere 
Abgrenzung des Begriffes der „andern Rechte" erstrebt 
werden muß. Erfreulicherweise lehnt Laminasch an 
meine in der ersten Auflage dieses Buches enthaltenen 
Ausführungen ein allgenreines Aufsichtsrecht des Staa 
tes, ein allgemeines Recht auf Wahrheit ab. Ebenso ver 
langt, Stooß. Lehrbuch, Seite 380, im Anschluß au 
meine.vorerwähnten Ausführungen eine Schädigung 
von Rechten, deren Inhalt und Umfang bestimmt ist 
und lehnt das Aufsichtsrecht des Staates und das all 
gemeine Recht auf . Wahrheit als Objekt des Betruges 
ab ... . Zutreffend schließt daher auch Lammasch, daß 
die sogenannte Irreführung der öffentlichen Anficht 
nicht als Betrug betrachtet werden kann." 
Und endlich lese ich Ihnen aus einem Entscheid des Ober 
sten Gerichtshofes vor ^Entscheidungen in Strafsachen, .Band 
8, 3. Heft, Nr. 101: 
„Das Urteil hat zu Unrecht das staatliche Recht auf 
lieberwachung des Grenz- und Fremdenverkehrs als. ein 
durch den 8 197 Strafgesetz geschütztes Gut erklärt. Die 
Irreführung der öffentlichen Aufsicht als solche ist, 
wenn überhaupt, nur nach, dem 8 320, lit c, k .oder g 
Strafgesetz zu beurteilen. Daß das staatliche Aussichts 
recht, an sich im.8 197 Strafgesetz nicht geschützt ist, 
ergibt sich mis den bezeichneten Bestimmungen 
des 8 320 Strafgesetz. Im 8 320. lit. e, Straf 
gesetz wird der Absicht, die öffentliche Aufsicht irre 
zuführen, besonders gedacht. Wäre die Anschauung rich 
tig, daß eine beabsichtigte Schädigung des staatlichen 
Aufsichtsrechtes als Betrug zu werten ist. dann ließe 
sich der bezeichnete qualifizierte Fall des 8 '320, lit e, 
Strafgesetz rechtlich überhaupt nicht denken." 
Nun. gebe ich Ihnen zu, daß dieser Fall von öffentlichem 
Aufsichtsrecht spricht: 
Ich möchte hier die Frage nicht näher berühren, ob nicht 
auch im Falle unserer Sparkasse, bei der es sich um etwas 
Aehnliches wie um eine Staatsbank handelt, das Aufsichts- 
recht ein öffentliches Recht im Sinne der vorgelesenen Ent 
scheidung ist oder nicht. Angenommen, es sei ein öffentliche; 
Aufsichtsrecht, dann würde nach dem vorgelesenen Entscheid 
nicht Betrug, soudern allerhöchstens der 8 320 des Strafge 
setzes in Frage stehen. Sollte es aber ein privatrechtliches Aus 
fichtsrecht sein, das hier in Frage steht, dann wäre für die 
absichtliche Entziehung dieses Aufsichtsrechtes überhaupt kein 
Paragraph vorhanden, dann müßte erst für die Ent 
ziehung dieses Aufsichtsrechtes ein Strafparagraph ge 
schaffen werden, um damit die Entziehung des .Auf 
sichtsrechtes überhaupt irgendwie ahnden und bestrafen zu 
können. Solange für die absichtliche Entziehimg privatrecht 
licher Aufsichtsrechte kein Strafparagraph gegeben ist, muß 
diese Entziehung straflos bleiben. 
Damit glaube ich. daß die Ausdehnung der Anklage, die 
der Herr Staatsanwalt gemacht -hat, indem er glaubt.- da 
raus einen Betrug konstruieren zu können,, daß unsere Klien 
ten eine Schädigungsabsicht bezüglich der Entziehung des 
Aufsichtsrechts gehabt hätten, hinfällig geworden ist. 
Kehren wir wieder zu der Anklage zurück, wie sie der 
Herr Staatsanwalt ursprünglich formuliert hatte und wie 
sie vernünftigerweise allein in Betracht gezogen werden kann. 
Nehmen wir nun einmal an. die Betrugsinoniente der listigen 
Handlung, der Erregung eines Irrtums und der Handlung 
infolge des Irrtums von seiten der Sparkasse oder des Zwickst 
seien gegeben. Dann fehlt aber immer noch ein ganz wesent 
liches Moment des Betrugsbegriffes, nämlich die Schädig- 
ungsabficht. Sie müssen mir verzeihen, wenn ich bezüglich die 
ser Schädigungsäbsicht ein fremdes Urteil heranziehe. Ein 
Landesgericht, das uns ziemlich naheste-hen dürfte, es ist das 
Landesgcricht Feldkirch, hat im Fahre 1922 ein Urteil ge 
fällt, das für unsern Fall von größtem Interesse ist. Der Fall 
liegt kurz so: Ein Mann im Kanton St. Gallen -— der 
Name ist nicht von Bedeutung — trug sich mit dem Gedanken, 
eine neue Maschine für den Stickereibetrieb herzustellen. Er 
ging nun zll Drittpersonen und erklärte ihnen, er habe die 
Maschine bereits erfunden und konstruiert, obwohl dies nicht 
der Fäll war, er brauche Geld, um'die Maschine noch in Be- 
wegung setzen zu können und um das nötige Rohmaterial zur 
Herstellung der mit der Maschine herzustellenden Produkte an 
zuschaffen. Das Kantonsgericht St. Gallen bestrafte deii Mann 
wegen Betruges, er flüchtete dann nach dem Vorarlberg. Das 
Landesgericht Feldkirch, das den Fäll nochmals beurteilte, 
sprach ihn frei, weil es die Begriffsmomente des Betruges
	        

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