Volltext: Stenographischer Verhandlungs-Bericht aus dem Kriminalprozess gegen Franz Thöny, Niko Beck, Anton Walser und Rudolf Carbone

war. Es ist zur Gewohnheit nicht erforderlich/daß man schon 
als Gewohnheitsverbrecher mehrfach vorbestraft ist. Es ge 
nügt, wenn durch eine Reihe von aufeinanderfolgenden.der 
artigen Handlungen tatsächlich der Eindruck und die Ueber 
zeugung entstehen must, daß man das schon gewohnheits 
mäßig, fast gewöhnlich, bei jeder Gelegenheit tut. Das ist das 
Charakteristikum des Gewohnheitsverbrechens. Infolgedessen 
erachtet die Staatsanwaltschaft an den vorangeführten Grün 
den, daß der höchste' Strafsatz nach dem § 203 von 5 bis 10 
Fahren bestimmt anzuwenden sei. 
Als erschwerend käme bei Dhöny in Betracht, die Fort 
setzung der strafbaren Handlungen, die mehrfache' Qualifika 
tion, das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen, dann die 
außerordentliche Höhe des Schadens und wie erwähnt, die 
mehrfache Qualifikation, die zur Anwendung des höchsten 
Strafsaizes führen mußte und dann sein Positives Leugnen 
hinsichtlich der Schuldfrage. Kein einziger der Angeklagten, 
das kann ich bezüglich aller Angeklagten vorweg nehmen, hat 
bis jetzt Einsicht in die Schuld bekundet. Es steht ja sonst 
das Gesetz auf dem Standpunkte, daß das Geständnis mil 
dernd sei, weil daraus iiber irgend eine Psychologische Ver 
fassung der Angeklagten geschlossen wird, und zwar deswegen, 
weil, wenn der Angeklagte seine Schuld eingesehen hat, wenn 
er eingesehen hat, unrecht gehandelt zu haben, er diese Hand 
lungen auch unterlassen wird. Wenn, aber kein Einsehen in 
die Schuld da ist, kann das Geständnis nicht als mildernder 
Umstand betrachtet werden, höchstens nach der Richtung des 
Geständnisses des Tatsächlichen. Aber Einsicht in die Schuld 
bekundete» die Angeklagten nach keiner Richtung. Ferner ist 
bei Thöny erschwerend die ideale Mitschuld gemäß § 5 und 
101, bei Walser ebenso die Jdealkonkurrenz mit dem Ver 
brechen des Mißbrauches der Amtsgewalt, falls das Gericht 
dies' mit in Betracht zieht. 
Als mildernd kann angenommen werden bei 
Thönh eine gewisse Notlage, in der er sich viel 
leicht durch frühere Manipulationen befand, daß 
er vorher eines untadeligen Lebenswandels ge 
wesen ist, 'daß er mehr durch die durch fremde 
Fahrlässigkeit gebotene Gelegenheit zum Verbre 
chen angelockt wurde, weil das Mitglied der Kon 
trollstelle selbst dazu half und mancherorts auch 
eiste Kontrolle gefehlt hat. 
Bei Walser fallen außer den bei Thönh an 
geführten erschwerenden Umständen als erschwe 
rend in Betracht, daß er als Mitglied der Kon 
trollstelle Thönh zu den ungesetzlichen Handlun 
gen veranlaßt hat, bei Nico Beck als mildernd 
auch noch eine gewisse Beeinträchtigung in der 
Freiheit seiner Willensentschlüsse und bei Car- 
bvne muß ich mir die gesamten Ausführungen 
bis nach Erstattung des Gutachtens vorbehalten. 
Mit Rücksicht auf diese erschwerenden Um 
stände und mit Rücksicht daraus, daß die Schuld 
derart außerodentlich hoch ist, beantrage ich von 
der Anwendung des außerordentlichen Milder 
ungsrechtes abzusehen. Nach dem Gesetze wäre 
bei ganz besonderen Umständen eine Reduktion 
der Strafe bis auf 2 Jahre möglich. Ich halte 
aber dafür, daß die Anwendung dieses Gesetzes 
vom 12. 12. 1916 mit Rücksicht auf die über 
wiegenden erschwerenden und die viel geringeren 
mildernden Umstände überhaupt nicht zulässig 
sein kann. 
Im übrigen beantrage ich gemäß Artikel 20 
hinsichtlich der ersten drei Angeklagten Einstel 
lung der aktiven Bürgerrechte, überlasse es der 
Entscheidung des Gerichtes, ob es gemäß dem 
Gesetze vom 1. 6. 1921 die Zulässigkeit der 
A.rbeitshausstrase aussetzen will. Damit habe ich 
geschlossen. 
Präsident: Ich möchte Herrn Staatsanwalt 
noch darauf aufmerksam machen, daß er sich nicht 
ausgesprochen hat über seine nachträgliche An 
klage gegen Thönh. 
Staatsanwalt: Am 3. Juni 27 ist in Wolf 
zennen der Kaufvertrag abgeschlossen worden, be- 
zw. die Zwangsversteigerung durchgeführt wor 
den, wegen der Grundstücke, die früher dem Brüg 
ge.': gehört haben und ihm von Staatswegen ab 
genommen worden waren. Brugger und Wal 
ser gaben an, daß Röthlisberger der Nachfolger 
Bruggers aus dem Gute sich nicht halten könnte, 
weil er nicht fähig gewesen sei, das Gut hinrei 
chend zu bewirtschaften und da -waren Verhand 
lungen zwischen Walser und Brugger wegen der 
Auslösung dieses Gutes Wolfzennen, Walser b,e- 
hauptet in diesem Verhör, hievon nichts gewußt 
zu haben. Das ist nicht richtig. Ich verweise auf 
den aus den Akten verlesenen Brief, in dem er, 
ich glaube im Mai 1927, — an Brugger berichtet, 
er könne ihm noch keinen Bescheid geben über die 
Verhältnisse in Wolfzennen,, aber jedenfalls werde 
er ihm noch bis zum 3. Juni Nachricht zukommen 
lassen.. Dann am 3. Juni. 1927 fuhr Thörh wirk 
lich hinaus nach Wolfzennen und hat in der 
Kanzlei des Bezirksnotars Häusermann in Fried 
richshafen die Bürgschaftsurkunde für den ge 
samten Versteigerungsbetrag von 115.000 RM., 
für die Aenderungskosten und Notariatsgebüh 
ren 12.000 RM. und 3000 Franken für einen 
gewissen Gührer bezahlt,' damit dieser nicht hö 
her schlage und der Kaufpreis des Gutes nicht 
in die Höhe getrieben werde. 
'Wegen dieser Handlungen, Verleitung zu 
einer unkorrekten Handlung, konnte Anklage nicht 
erhoben werden, weil das nach deutschem Gesetze 
nicht eine Verleitung zum Betrüge ist und auch 
nach dem hier geltenden Strafrechte diese Anklage 
nicht mit Bestimmtheit gemacht werden könnte, 
weshalb davon abgesehen wurde.. Thönh war 
hier offenbar betrügerisch, weil er wissen mutzte, 
daß die aus dieser Bürgschaft übernommenen 
Haftung gedeckt mußten und er die Zahlung bis 
Juni zu leisten hatte. Tatsächlich hat Thönh auch 
die Zahlung geleistet, wie aus der Bestätigung 
des Bezirksnotars Häusermann ersichtlich ist und 
am 4. Juli wurde dann Atax Brugger, der Vater 
des Eugen Brugger als. Eigentümer in das 
Grundbuch eingetragen. Der Versteigerungspreis 
betrug 115.000 Mark, wobei er später noch für 
den Hypothekenbrief von 70.006'RM. an Jvonne 
Delvaux die Bürgschaft übernommen hat. Daher 
ist auch nach dieser Richtung die Anklage gerecht 
fertigt. Es ist also in allen Belangen die Anklage
	        

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