Volltext: Stenographischer Verhandlungs-Bericht aus dem Kriminalprozess gegen Franz Thöny, Niko Beck, Anton Walser und Rudolf Carbone

klimmen nach Einlangen des Gutachtens, abgeschlossen und 
könnten zu den Parteivorträgen übergehen. 
Ich erteile das Wort Herrn Staatsanwalt Dr. Arthur 
Ender. 
Staatsanwalt: Herr Präsident!. Hoher Gerichtshof! 
Mit Rücksicht darauf, daß das Gutachten der Herren Sach 
verständigen über Carbone noch nicht eingelangt ist, mutz 
ich mir vorbehalten, nachträglich, nachdem dasselbe dem Ge 
richt bekannt wurde, darauf zurückzukommen. Wenn es ange 
sichts der Gründlichkeit des Verhöres und der noch nach 
folgenden Aktenverlesttng an sich nicht unumgänglich notwen 
dig scheint, die Anklage noch des näheren zu begründen, so 
sei es mir doch, ungeachtet der in vielen Fällen überein 
stimmenden Angäbe der Angeklagten, gestattet, auf einzelnes 
noch zurückzukoinmcn und zwar möchte ich diese Angelegenheit 
behandeln „sine ira et studio", ohne irgendwelche Voreinge- 
noinmenheit und einseitige Einstellung, insbesondere unter 
vollständiger Außerachtlassung der politischen Momente, die 
vielleicht diesen Prozetz zeitweilig auch berühren, weil ich 
der Meinung bin, datz auch noch so hochgehende Wogen der 
Erregung sich brechen müssen an den Mauern des Gerichts 
gebäudes, und datz auch nicht die Gischt und der Schaum der 
Wellen in den Gerichtssaäl hereinspritzen dürfen. Die der An 
klage zugrunde liegenden Machenschaften bildeten für das 
Land Liechtenstein ein großes Unglück. 
Schon im Jahre 1927 hatte das Land unter einem 
schweren Unglück zu leiden. Das schaumbedeckte, tolle Kind, 
der junge Rhein, der sonst brausend über Fels und Kiesel 
springend zu Tale fließt, daß er Dichter zu begeisterten Er 
güssen zu bewegen vermochte, gebärdete sich in den September- 
tagen des Jahres 1927 derart, daß vielleicht der Chronist 
der früheren Zeit wenigemale über' solches zn vermelden 
wußte: ungeheure Wasserwogen wälzten sich durch das Rhein 
bett, Menschenkraft und -Kunst trotzend, überfluteten sie die 
Dämine, die von Natur und Menschenhand gesetzten Schran 
ken, die Dämine barsten und graue Wassermassen ergossen sich 
auf das Land Liechtenstein, nicht achtend Mensch und Leben, 
nicht achtend Hab lind Gut, nicht achtend Felder und Wiesen 
und Häuser, und verwüsteten was ihnen im Wege stand., 
Nur ein kleinerer Teil des Landes wurde von diesem Unglück 
getroffen, und was menschliche Hilfe tun konnte, nur dieses 
Unglück zu lindern, geschah. Vor allein war es der Landes 
fürst. weiland Johann der II., dem wohl die Geschichte den 
Beinamen „des Guten" schwerlich wird versagen, köiincn, 
dann kam auch die Hilfe der benachbarten Länder und Mit 
hilfe des Nichtbeschädigten Landestciles. So war es inöglich, 
zum größeren Teil diesen Schaden vorübergehend zu lindern 
u. dauernd wieder herzustellen. Manches Bäuerlein stand da 
mals am Grabe seiner Habe und aus seinen zuckenden 
Wimpern stählen sich schimmernde Tränen, weil er , sah, wie 
seiner Hände Arbeit über Nacht durch Naturgewält ver 
nichtet wurde. 
Im Jahre 1928 brach nun neuerlich ein Unglück über 
das Land herein. Das hatte nicht mehr seine Ursache dort. 
wo brausende Wildbäche sich in die Wogen des Rheines 
stürzten, die Ursache lag im Lande; von jenen Stellen, von 
denen hätte Hilfe kommen sollen, kam das Unglück. Die Ur 
sache lag dort wo man sie äm allerwenigsten hätte erwarten 
und wo man sie niemals hätte suchen dürfen. Und dieses 
Unglück traf alle, blieb nicht allein beschränkt auf einen. 
kleinen Landesteil. Das ganze Land wurde dadurch in Mit- 
leidenschaft gezogen. Die armen Bäuerlein unten im Tale und 
oben im Berge litten genau so wie der reiche Bauer und wie 
der reich begüterte Bürger und wie das arme, alte'Mütter 
lein, das Tag für Tag die Rappen zusammengespart hatte, 
um einen Franken in die Sparkasse tragen zu können oder 
danrit es vielleicht für seinen späteren Lebensabend etwas 
habe, oder um seinen Nachkommen noch etwas zu hinter 
lassen, damit sein Andenken besser geehrt werde; dieses kleine 
Miitterlein litt genau so, wie. das arme Dienstmädchen, daS 
jeden Monat einen kleinen Teil feines Lohnes in die Spar- 
kasse gelegt hat. Niemand war verschont von: Unglück, der 
frenrde Einleger, der Geld brachte, wie der eigene Land 
bewohner. 
Woher kamen alle diese Sachen? 
Ich erinnere an die Hundstagshitze des JahreS 1928. 
Damals, am 5. August, kam ein Projekt an daS Licht der 
Welt, das aber von seinen beiden Eltern, der Bank Sau 
tier, und der Vertriebsunion nicht mit jenem wirtschaft- 
lichen Lebensblut ausgestattet hätte werden wollen, daß es 
hätte lebensfähig bleiben können. Mit einer heute unver- 
stündlichen Hast wurde dieses Projekt erledigt. Am 5. August 
kam das Konzessionsgesuch an das Land und schon bereits 
am 20. August erfolgte die zustimmende Erledigung 
Damit war die erste Klassenlotterie geschaffen. In dieser 
ersten Klasscnlotterie waren dem Land bestimmte Vorteile 
zugesichert. Es sollte dem Lande eine fixe Summe zukommen 
von 100 000 Franken, ein Anteil von 10 Prozent vom ge- 
sainten Reingewinn und die jährliche Summe von 10 000 
Franken als Entgelt für die Aufsichtsbezahlung der Kom 
mission. Danrit glaubte inan, dein Lande Liechtenstein einen 
großen Dienst erweisen zu können. Doch, wie gesagt, das 
Kind erwies sich nicht als lebensfähig. Schon bereits am 
17. Dezember iiiußte der Arzt beigezogen werden, weil eö 
sich im Todesröcheln befand. Es wurde damals erklärt, es 
solle die Klassenlotteric voiii Lande nicht selbst betrieben 
werden, mit der Bank Sautier müsse ein Vergleich geschlossen 
und mit dritten Personen ein Vertrag abgeschlossen werden. 
Damit glaubte man, dieses Kind unter anderer Vaterschaft 
das Leben fristen lassen zu können, aber es gelang nicht 
und bereits schon in den folgenden Jähren wurde der amt- 
liche Totenschaubefund ausgestellt durch das Urteil des Lan- 
desgerichtes Liechtenstein von: 16. März 1926, worin, fest- 
gestellt wurde, daß die Unternehmer der Klassenlotterie den 
Betrag von 495 000 und etwas Franken an das Land 
Liechtenstein zu bezahlen haben. So ward denn diese erste 
Klassenlotterie begraben und unmittelbar darauf folgte die 
zweite. Schon um die Zeit, als die erste im TodeSröcheln lag, 
kam ein Gesuch um eine zweite Konzession und diese wurde 
dann tatsächlich auch erteilt am 11. Februar 1926. Auch ihr 
war ein langes Leben nicht' beschieden, daraus entwickelte 
sich die Zentrofag und nun sind wir mitten in den Gescheh 
nissen. Bei der Zentrofag waren die beteiligten Personen, 
deren Namen so oft genannt wurden: Kapferer, Bauer. Stop 
fer und Grüsscr.. An der Zentrofag an der ersten Klassenlot. 
terie war auch beteiligt, hervorragend beteiligt der Angeklagte 
Anton Walser. Walser hatte sich der Regierung gegenüber 
ausgegeben als. der Generalbevollmächtigte der Vertriebs- 
union Triesenberg, 'einer Gesellschaft mit einem Vermögen 
von Fr.2000. Bei der Zentrofag war Walser ebenfalls in ganz 
besonders'hervorragendem Maße betätigt und der Angeklagte
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.