Volltext: Stenographischer Verhandlungs-Bericht aus dem Kriminalprozess gegen Franz Thöny, Niko Beck, Anton Walser und Rudolf Carbone

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tonte werden unter dem Begriffe der Basedow 
schen Krankheit zusammengefaßt. Diese Krank 
heit beruht auf einer Neurose. Und Beck hat an 
dauernd unter diesem Zustande der Neurose ge 
standen. Ferner ist er auch Psychopath, weil er 
reizbar ist und. weil er Epileptiker ist. Er ist 
aus diesem Zustande nicht herausgekommen. Er 
hat alle Handlungen in diesem Zustande gemacht, 
so daß man annehmen muß, daß alle Handlungen, 
die er begangen hat, in dem Zustand der Neu 
rose, der funktionellen Störung des gesamten 
Nervensystems begangen worden sind. 
Staatsanwalt: Es heißt, daß er wegen seiner 
erhöhten Reizbarkeit zu rascherem Handeln ver 
anlaßt werde. Ich glaube, so heißt es am Schlüsse 
des Gutachtens. Das eine erscheint mir begreiflich 
und verständlich, mir dem Nichtmediziner und 
Laien,' daß derartige Veranlagungen den Ent 
schluß rascher reifen lassen, vielleicht auch einen 
unüberlegten Entschluß. Aber wenn von der Fas 
sung des Willensentschlusses bis zur Zeit der 
Handlung noch eine geraume Zeit verstreichen 
muß, dann will es mir nicht recht verständlich 
erscheinen, wieso die erhöhte Reizbarkeit aus- den 
Vollzug dieses seinerzeitigen Willensentschlusses 
noch längere Zeit einwirken soll, oder wie dort die 
gewisse Hemmungsarmut, der geringere Grad von 
Hemmungsvorstellungen noch, nachdem der Ent 
schluß gereist ist und in weiterer Durchführung 
des Entschlusses in die Tat umgesetzt wird, die 
erhöhte Reizbarkeit und derart verminderte Zu 
rechnungsfähigkeit begründen soll. 
Dr. Batliner: Ich meine, das abzuwägen ist 
sehr schwierig. Ich dachte mir, wenn er einen Ent 
schluß gefaßt hat unter den Erscheinungen, un 
ter der Erschwerung der Neurose, daß es dann 
genügt, unter dem Begriffe, daß er vermindert 
zurechnungsfähig ist, wenn er nachher auch wie 
ein Normaler die Handlungen begangen hat. Es 
hat genügt, wenn er unter dem Gesichtspunkt 
der Neurose einen Entschluß gefaßt hat. Das mag 
sein, daß in der Ausführung diese neurotischen 
Zustände mitgewirkt haben, wie beim Fassen des 
Entschlusses. Das gebe ich zu. 
Staatsanwalt: Würde dann also nach der 
Auffassung des Herrn Sachverständigen die Er 
kenntnis in die Tragweite seiner Handlungen ge 
mindert gewesen sein oder würde er trotz voller 
Erkenntnis der Tragweite seiner Handlungen ge 
handelt haben, aber immerhin noch unter einer- 
gewissen Nachwirkung der Reizbarkeit auf die 
richtige Erkenntnis der Tragweite? 
Dr. Batliner: Die Erkenntnis ist nach meiner 
Ansicht herabgemindert. 
Staatsanwalt: Das würde zu einem kleinen 
Teil im Widerspruch mit dem Gutachten stehen, 
wonach es heißt, daß er als geistig sehr begabter, 
vollständig klarer, logisch denkender, zielstreben 
der gehandelt habe. 
Dr. Batliner: Darf ich vielleicht ein Beispie 
erwähnen? 
Präsident: Bitte, Herr Landesphhsikus. 
Dr. Batliner: Nehmen wir an die Alkohol- 
wirkung. Die ist allen mehr oder weniger bekannt.. 
Sagen wir, wir trinken 2, 3 Viertel Vaduzer. . 
Der eine bekommt einen guten Humor bei einem 
Viertel, der andere bei 2 Viertel, der. andere bei 
3, der andere bei 4. Dann wird der eine ange- 
jeitert, der andere wird störrisch, mißmutig. In 
diesem Zustande weiß jeder, daß man Geschäfte, 
macht, die man vielleicht normalerweise nicht ma 
chen würde. Wenn man nun im angeheiterten 
Zustande ist, ist man zurechnungsfähig, aber er 
legeht die Tat, weil er unter dem Einflüsse des 
Alkohols schon etwas handelt. Aber kein .Richter 
wird ihm deswegen die Zurechnungsfähigkeit ab 
streiten können und ich meine, das ist ähnlich 
zu setzen, dieser neuropathische Zustand. Er hat 
in einer Verfassung gehandelt, wo es leichter geht 
und schneller geht, solche Entschlüsse, zu fassen. 
Ungefähr in diesem Sinne stelle ich mir die Ge 
schichte vor und .möchte den Herren die Sache 
so Plausibel machen. 
Staatsanwalt: Wenn ich weiterfragen darf. 
So wuchs, entstand der Entschluß. Nun aber wa 
ren bei sehr vielen Handlungen Becks, die den 
Gegenstand der Anklage bilden, zwischen dem Ent 
schlüsse und dem Vollzug der Handlung zeit 
lich große Zwischenräume. Er bekam z. B. einen 
Wechsel, ich nehme nur ein Beispiel heraus, den 
er erst nach 14 Tagen, nach 3 Wochen unterbrachte. 
Zum Beispiel des Herrn Landesphhsikus über 
gegangen: Wenn der Betreffende ein klein wenig 
alkoholisierte oder etwas mehr alkoholisiert eine 
Handlung setzte, Entschlüsse faßte und dann Nach 
Tagen, nach Wochen erst aus diesem Entschluß 
heraus die Konsequenzen in der Handlung ziehen, 
will, kann auch dann noch, in diesem Falle, in 
dieser. Zwischenzeit, wenn ruhige Ueberlegung 
Platz greifen konnte, noch von einer Minderung 
in der Erkenntnis und Entschlußfähigkeit und 
einer Minderung des Erkennens und Wollens 
gesprochen werden? 
Dr. Batliner: Ich halte dafür, weil dieser 
Zustand, wie er beim alkoholisierten Zustand ist, 
bei Niko Beck ein Dauerzustand ist. Er kann aus 
dieser Sphäre nicht heraus, aus seiner neuropa- 
thischen Veranlagung. Die ist dauernd. Ob ge 
rade beim Entschluß dieser Zustand mehr mit 
gewirkt hat, das dürfte wahrscheinlich sein, aber 
daß er andauernd unter diesem Zustand gestan 
den hat, das ist. nach meiner Ansicht zweifellos. 
Staatsanwalt: Dann wäre es nach meiner 
Auffassung nicht so ganz sicher, daß dieser Zu 
stand ihn zu schnellen, raschen, unüberlegten Hand 
lungen verleitete? 
Dr. Batliner: Das kann ich nicht sagen. 
Präsident: Sind die Fragen beendet? (Zu 
stimmung.- Herr Handesphhsikus dürften wir sie 
nach 12 Uhr noch einmal befragen? Wenn Sie 
Zeit haben, würden wir die Verhandlungen nach 
12 Uhr fortsetzen und jetzt die Mittagspause ein 
schalten. Wenn Sie über die Zeit nach 12 Uhr-
	        

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