Religionsfreiheit
hätte ermöglichen sollen *, so müssen doch aufgrund eigenstaatlicher
Gesetzgebung die einzelnen Verfassungen in Betracht gezogen werden,
um einen genaueren Aufschluß über die Ausgestaltung und Weiter-
entwicklung der Religionsfreiheit zu erhalten. Nach den Befreiungs-
kriegen setzten vor allem im süddeutschen Raum die Verfassungs-
bestrebungen, die auf einen Ausbau der Grundrechte hinstrebten,
sehr stark ein. Im Bestreben, einen einheitlichen Staat aufzubauen 2,
sahen sich die Staaten, in denen seit der Säkularisation und dem RDHS
eine Mischung der Konfession eintrat, gezwungen, eine ihren Ver-
hältnissen angepaßte Lösung bezüglich der Anwendung der Religions-
freiheit zu finden.
In der Übergangszeit zum 19. Jahrhundert hatten sich immer
mehr neue Begriffe wie «Überzeugungsfreiheit» und «Gedanken-
freiheit» in die vorderste Front der politischen Auseinandersetzungen
geschoben. Dabei hatte man die «Überzeugung» als die innere
Wahrhaftigkeit des verantwortlichen Gewissens und die «Gedanken»
als das Urteil dieses Gewissens aufgefaßt ?. Daher trugen denn auch
die ersten deutschen Verfassungen den Stempel dieser neuen Forde-
rungen, so daß die Glaubens- und Gewissensfreiheit, indem sie in
die Nähe von Überzeugungs- und Gedankenfreiheit rückte *, zu-
sätzliche Aspekte gewann.
1. Die religionspolitische Lage
Unser Augenmerk gilt im folgenden besonders der Frage, in welcher
Gestalt die Religionsfreiheit in Liechtenstein auftritt. Zur Abklärung
muß vorerst vor allem auf die religionspolitische Situation hingewiesen
werden, die als wesentliche Voraussetzung zur Aufhellung beitragen
kann. Die liechtensteinische Verfassung von 1818 schweigt sich über
Religionsangelegenheiten aus, währenddem in anderen Verfassungen
deutscher Bundesstaaten der Art. 16 der BA zur Ausführung kam,
indem er in irgendeiner Form Aufnahme fand >. Allerdings ist hierzu
ı Vgl. FÜRSTENAU 120 £.
2 Vgl. WEINZIERL 35.
+ So HAMEL 44.
+ Vgl. die Verfassungen von Württemberg von 1819 $$ 24 und 27 (in: HusEr
E. R. 174); Bayern von 1818 IV $ 9 (in: Huser E. R. 147); Baden von 1818/$18
(in: Huser E. R. 158).
5 Vol. Fußn. 4.
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