Nähere Ausgestaltung der Staatskirchenordnung
2, Die Ausübung des ins reformandi
a) Die partikularrechtliche Ausgestaltung des ius refor-
mandi seit 1806
Mit der Auflösung des Reiches im Jahre 1806 ist die gemeintecht-
liche Entwicklung des ius reformandi beendet, und an ihre Stelle ist
eine partikularrechtliche Ausgestaltung getreten ?.
Die Bundesakte sieht nach Kahl? die Lage folgendermaßen: Ge-
genüber Sekten bleibt das ius teprobandi unbeschränkt bestehen. Das
ius tolerandi beinhaltet — was die katholische, protestantische und
reformierte Konfession betrifft — nicht mehr die Befugnis, das Maß
der bürgerlichen und politischen Rechte zu bestimmen. Dagegen
bleibt das ius recipiendi den einzelnen Staaten vorbehalten, «denn
die gesellschaftliche Gleichheit und Einheit der Religionsübung wa-
ren in die “bürgerlichen” Rechte nicht eingeschlossen.»
Die Bundesakte beschränkt sich also auf die Gewährung der Pari-
tät in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Hinsicht und spricht keine
Gleichheit in der Religionsübung aus 3.
b) Lage in Liechtenstein
Auf der Grundlage der Einheitlichkeit des religiösen Bekenntnisses
des liechtensteinischen Volkes konnte sich ein stark verzweigtes
Staatskirchentum entwickeln und erhalten. Folglich ist auch einleuch-
tend, daß in diesem Fall von einer Gewährung der Parität in bürger-
licher und staatsbürgerlicher Hinsicht schlechthin nicht gesprochen
werden kann, sondern höchstens in einem stark reduzierten Sinne,
da Andersgläubige nur ausnahmsweise die liechtensteinische Staats-
bürgerschaft erwerben konnten, wobei dann allerdings die wirtschaft-
liche Lage des einzelnen das ausschlaggebende Moment war *. Im
Schulgesetz von 1827 5 spricht der Fürst die Überzeugung aus, daß ein
Landesherr auf das Wohl und das Glück seiner Untertanen bedacht
sein müsse, Darüber hinaus aber sieht er sich noch — durch das Staats-
amt bestärkt — als Wächter und Hüter der «sittlichen Wohlfahrt» der
ı KAHL, Lehrsystem 320, ebenso FÜRSTENAU 85.
? KAHL, Lehrsystem 320.
? Schon vorne $ 1/11 ist darauf hingewiesen worden.
* Vgl. B 14.
5 B 7.
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