Staatskirchenrechtliche Aspekte
IT. Die oktroyierte Verfassung von 1818
Gemäß Artikel 13 BA hat in allen Bundesstaaten eine landständische
Verfassung «stattzufinden». In dieser allgemein gehaltenen Formu-
lierung versuchte man die Verfassungsautonomie des Einzelstaates
zu respektieren. Die Wiener Schlußakte (Art. 55) erklärte die land-
ständische Verfassung als eine innere Landesangelegenheit. Die Hof-
kanzlei vertritt in ihrem Schreiben an den Fürsten sehr deutlich die-
sen eigenständigen Verfassungsanspruch !. Die landständische Ver-
fassung, die in ihrer Wesenheit die in den k. k. österreichischen deut-
schen Staaten bestehende landständische Ordnung kopiert ?, besei-
tigte die bis dahin unklaren * Verfassungsverhältnisse. Die Schaffung
einer neuen Staatsordnung blieb nach Aufhebung der alten Rechts-
gewohnheiten aus. Die Verfassung von 1818 ist als ein «Geschenk
des Monarchen» zu betrachten *, der sie aus souveräner Machtvoll-
kommenheit oktroyiert hat. In den süddeutschen Verfassungen, vor
allem in denjenigen Bayerns (1818) und Badens (1818), ist die Ten-
denz spürbar, dem Volk durch die Anteilnahme am Staatsleben all-
mählich ein Staatsbewußtsein anzuerziehen 5, In sehr beschränktem
Maße © vermochte m. E. auch Fürst Johanns Verfassungsgebung die-
ses Ziel zu verwirklichen, da in der Ständeordnung zum ersten Mal
dem Gedanken einer Repräsentation des Volkes Ausdruck verliehen
wird 7.
1 Sie schreibt: «... jedem Souverainen ist es überlassen, eine Verfassung zu
geben wie ihm beliebt», zitiert nach QUADERER 13.
2 Siehe A2$1; vgl. auch KLÜBER 444, Zöprı 240. — ScHUPPLER, LRA L 6,
äußert sich dazu wie folgt: «Annahme fremder Gesetze notwendig, und zwar
die Gesetze eines Staates (Österreich), der mit zum Bunde gehört.» Vgl. beson-
ders die ausführliche Darstellung der Verfassungsentstehung bei QUADERER 11,
3 Siehe vorne $ 2/I, 2a.
* HARTUNG 198.
> So HArRTunG 198.
5 Bezüglich der minimen Rechte der Stände vgl. $ 3/I.
Vgl. Mevyer/AnscHÜTtz 149, Zörrı 191 führt aus: «... landständische Verfas-
sung im Sinne des Art. XVI der Bundesakte, nicht mehr auf dem Princip der
Geltendmachung von bloßen Sonderinteressen einzelner Personen, Familien,
Klassen oder Korporationen beruhen, sondern daß unter diesem Namen eine
allgemeine Landesvertretung eingerichtet werden soll. In diesem Geiste sind auch
die sämmtlichen neueren deutschen Verfassungen abgefaßt.»