Staatskirchenrechtliche Aspekte
von einer Verfassung im formalen Sinne zu sprechen. Das Abstellen
auf den sog. formalen Verfassungsbegriff führt aber zu einer Relativie-
rung des Begriffes der Verfassung !.
Wenn die Dienstinstruktionen nicht als «geschriebene Verfassung»
taxiert werden, so geschieht das offensichtlich aus dem Unbehagen, daß
sie keine in sich geschlossene Kodifikation der staatlichen Ordnung
darstellen. Dies hätte zur Folge, daß die « Verfassung» in einer Reihe
von geschriebenen Verfassungsgesetzen zu finden oder zu suchen
wäre. Für die hier in Frage stehende Zeitspanne würde das bedeuten,
daß die erlassenen Gesetze als Verfassungsgesetze zu charakterisieren
wären, da das Bestehen einer Verfassung nicht in Abrede gestellt ist.
Feststeht jedenfalls, daß die Dienstinstruktionen die Vorschriften,
die in der künftigen Verfassung enthalten sein müssen, in ihren Um-
rissen bereits klar formulieren und techtswirksam normierten ?. Eine
Verfassung kam im darauffolgenden Jahre nicht zustande. Die ein-
zelnen unter Ziffer 1 angeführten Vorschriften, die «vom 1. Jänner
künftigen Jahres als Grundgesetz der Landesverfassung votzuschrei-
ben» hier festgelegt werden, sind zu Gesetzen ausgearbeitet worden
and in Kraft getreten 3. Ich neige daher eher zur Ansicht, die Dienst-
instruktionen als Verfassung im Sinne des absoluten Verfassungsbe-
griffes auszulegen *, da die erlassenen Gesetze in diesem Grundge-
setz, dem geoffenbarten, absoluten Willen des Monarchen, ihre letzte
Norm finden.
b) Die Stellung des Staates zur Kirche
Die Haltung des Staates der Kirche gegenüber, die in einigen Ziffern
der Dienstinstruktionen — wenn in ihnen auch nur ein Teilaspekt des
Staat-Kirche-Verhältnisses tangiert wird — in unmißverständlicher
Weise zutage tritt, scheint ideengeschichtlich gesehen noch stark un-
ter dem unmittelbaren Eindruck der Auswirkungen des Josephinis-
mus und der Säkularisierung zu stehen. Die Verfügungen zeugen
jedenfalls von einer absolutistisch-aufgeklärten Geisteshaltung, die die
Hauptaufgabe des staatlichen Gemeinwesens fast gänzlich in der
Wohlfahrtspflege sieht. Die Kirche wird zu einer staatlichen Erzie-
- So ScHMITT 16.
- Siehe die in A 1 Ziffer 1 angeführten Punkte.
' So z. B. die Grundbuchordnung vom 1. Jänner 1809, LRA NS 1809.
Vgl. dazu SchHMmmrt 3 ff.
3E