Volltext: Staat und Kirche im Fürstentum Liechtenstein

Landeskirche und voller Staatsschutz 
Der Satz, wonach die Kirche der Verfassung untergeordnet ist, 
könnte auf den ersten Anblick banal und überflüssig klingen. Er 
bildete jedoch schon oft Gegenstand staatskirchlicher Kontroversen. 
Die These von Hans Peters, wonach die verfassungsmäßige Bezeich- 
nung «Körperschaften des öffentlichen Rechts» nichts anderes be- 
deute, als daß die Kirchen als mit «eigenen ursprünglichen, hoheit- 
lichen Funktionen ausgestattete juristische Personen anerkannt» seien 
und zur Schlußfolgerung gelangt, die öffentlichrechtliche Rechtsstel- 
lung verleihe der Staat der Kirche nicht, sondern finde sie vor und 
erkenne sie an, fand auf der Marburger Staatsrtechtslehrertagung 
vom 16./17. Oktober 1952 noch keine allzu große Beachtung. Diese 
von der damaligen katholischen Doktrin inspirierte und unter dem 
Axiom der societas perfecta-Qualität stehende Lehrmeinung stieß im 
Schrifttum mehrheitlich auf ablehnende Kritik 2, die an der Wurzel 
dieses Lehrgebäudes ansetzte, indem sie mit Nachdruck auf das Vor- 
handensein zweier eigenständiger Hoheitsträger unabhängiger Ge- 
walten (Staat und Kirche) auf dem Staatsgebiete, auf die «Verdoppe- 
lung des Staatsbegriffes» aufmerksam machte °. Der Gedanke der 
Einheit des Staates mit seiner unabhängigen Herrschaftsgewalt im 
allgemeinen und seiner Gebietshoheit im besonderen dürfe nicht auf- 
gegeben werden *. Die Opponenten sind der Auffassung, daß der 
Kirche erst durch einen konstitutiv wirkenden Akt des Staates die 
Rechtsstellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen 
werde. 
Diese-Kontroverse bot Reinhold Zippelius Anlaß, in seiner Probe- 
vorlesung an der Münchner Juristischen Fakultät nach dem Wesen 
der Einheit der Staatsgewalt zu fragen 5. Er legt in seiner Untersu- 
chung dar, daß es mit dem Begriff der Einheit der Staatsgewalt un- 
vereinbar wäre, den Kirchen eine unabhängige, öffentlichrechtliche 
Rechtsstellung einzuräumen, die sie als selbständige öffentlichrecht- 
liche Herrschaftsmacht neben dem Staat auftreten ließe ®. Soweit es 
sich nicht um obrigkeitliche Rechtsbefugnisse, die der Staatsgewalt 
ı PETErRs, VVDStRL 187. 
2 U. a. Fuss 235 f., QUARITSCH 297 £., WEBER H. 35 £f 
} MERK 234. 
* So MERK 233. 
5 Kirche und Staat und die Einheit der Staatsgewalt, 
5 ZıppELIUS, KuSt 326. 
72
	        

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