Landeskirchenbegriff
In diesem Zusammenhang ist der Hinweis nicht uninteressant, daß
der liechtensteinischen Verfassungsgebung die Formel der «gesetz-
lich anerkannten Kirche» keineswegs unbekannt ist und anfänglich —
im ursprünglichen Sinne — auf die christlichen Glaubensbekenntnisse
zugeschnitten war *. Sie kehrt später in der Regierungsvorlage wie-
der ?, wird aber in der Sitzung der Verfassungskommission vom 15.
März 19213 ausgemerzt, da sie sinnstörend zu den «anderen Kon-
fessionen» in Bezug gesetzt wurde, die aber nach dem Willen des
Verfassungsgebers nicht aus der privaten Rechtssphäre herausgeho-
ben werden, d. h. private religiöse Vereinigungen bleiben sollten.
Erbstücke der Rezeption österreichischen Rechts sind die Aus-
drücke «Religionsgenossenschaft» *, «Religionsgesellschaften» 5 und
«Religionsgemeinschaften» ©, die gegenüber dem Begriff «Kirche»
weiter gefaßt sind und unter die sich auch nichtchristliche religiöse
Vereinigungen subsumieren lassen. Diese Begriffswahl ist in der Lehre
verschieden ausgedeutet worden 7. Hellbling ® vertritt zurecht die Mei-
nung, daß sich «theoretische» Unterschiede feststellen und rechtfertigen
lassen. De lege ferenda ist vermehrt auf eigenstaatliche Staatskirchen-
verhältnisse und auf den tatsächlichen « Kirchenbestand» zu achten und
eine der Sachgesetzlichkeit konforme Begriffsterminologie zu treffen.
2. Das katholische universale Kirchenverständnis
Das Landeskirchentum als Strukturprinzip ist dem katholischen Kir-
chenverständnis fremd. Dieser Begriff ist dem evangelischen Kirchen-
schen. J. Hoop ist in seinem Schreiben an die Regierung vom 27. Mai 1948 (LRA
Aktenbündel 246 Akt.-Nr. 72) der Auffassung: «Grundsätzlich ist gemäß Art. 37
Abs. 2 der Verfassung jede Religionsgemeinschaft in Liechtenstein anerkannt. Die
Regierung hat bis jetzt keiner gegenüber die Nichtanerkennung ausgesprochen.
Praktisch bestehen hier allerdings nur die katholische Kirche als Landeskirche,
die evangelische Kirche in Form eines Vereins, dem Angehörige des reformier-
ten und des Augsburger Bekenntnisses gleicherweise angehören, und eine jüdische
Gemeinde.»
' Vgl. A 8.
: A 17/6 37.
* LRA Landtagsprotokoll vom 15. März 1921, Landtagsakten Nr. 54 Jg. 1921.
* B 80 Art. 112.
B 27 /$$ 278 lit. d und 303, B 111 und A 19 Art, 38.
B 93 und 100.
ERMACORA 385, ist der Auffassung, daß sie willkürlich erfolgt sei. Dagegen
wendet sich HELLBLING 141 ff, insbesondere 143.
8 HELLBLING 143.
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