Problematik einer Eherechtsreform
Staates ist nach Aussage der Verfassung selber die Förderung der
«gesamten Volkswohlfahrt» (Art. 14), dessen Sinn und Rechtferti-
gung in der «Schaffung und Wahrung des Rechtes» und im « Schutze
der religiösen, sittlichen und wirtschaftlichen Interessen» des Volkes
gesehen wird. Die Verwirklichung dieses Auftrages bedingt eine Ord-
nung des Ausgleichs und der Zusammenführung der auseinander-
strebenden gesellschaftlichen Einzel- und Gruppeninteressen. Die
Höchstgewalt des Staates beschränkt sich auf das äußere menschliche
Zusammenleben und kann (- und darf -) keine einheitlichen Ord-
nungsvorstellungen im sittlich-ethischen Bereich erzwingen, die für
einzelne oder Teile der Bevölkerung einen Gewissenszwang beinhal-
ten müßten 1. Daher ist eine Wertoffenheit des Staates vonnöten.
2. Die Selbstverantwortung des kirchlich-gläubigen Staatsbürgers
Das Vatikanum II hat mit aller Deutlichkeit auf die Eigenverant-
wortung des Laien aufmerksam gemacht. So ist es nicht verwunder-
lich, wenn ihm eigens ein Dekret gewidmet wird (« Apostolicam
actuositatem»), da der Apostolat der Laien ja ausdrücklich als « Teil-
nahme an der Heilssendung der Kirche selbst» bezeichnet wird ?,
Ziel ist es, die Stärkung des Laienelementes in der Kirche voranzu-
treiben. Da die Kirche aus ihrer grundsätzlichen Neutralitätshaltung
gegenüber den Staatsformen — sie weiß sich keinem politischen Sy-
stem verpflichtet ? — den Staaten selbst die Wahl ihrer Staatsformen
überläßt-und die Kirche ihre Sozialgestaltungsaufträge allgemein faßt,
ist die christliche Sinngebung dieser Grundsatzentscheide in ver-
mehrtem Maße Sache des einzelnen Christen *. In dieser Gestalt ten-
diert das kirchliche Heilswirken zwangsläufig zu einer Verlagerung
vom Institutionellen zum Personalen, wodurch die Daseinsgeltung
der Kirche mehr von der Entscheidung des einzelnen als vom «Be-
harrungsvermögen gewaltsamer und von der Entscheidung der ein-
zelnen unabhängiger kultureller Faktoren (Sitte, Herkunft, Gesetz,
Staatsverfassung)» abhängig gemacht ist 5,
iı So Mıxart, KuSt 439 £.
ı Kirchenkonstitution Ziffer 33 Abs. 2 (RAHNER-VORGRIMLER 163).
Pastoralkonstitution Ziffer 76 Abs. 2 (RAHNER-VORGRIMLER 534).
ı In diesem Sinne SCHAMBECK 108.
RAHNER, Chancen des Christentums 60, zitiert aus MIKAT, KuSt 441 £.
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