Gegenwartslage des Staatskirchenrechts
IT. Standortbestimmung der Entwicklung des staatlichen Eherechtes
Eine kritische Rückschau auf die staatlichen Revisionsversuche von
1943/48 deckt die Schwächen der liechtensteinischen Staatskirchen-
politik auf und gibt uns Gelegenheit zu einer Neubesinnung und
Standortbestimmung des Eherechtes im Lichte neuzeitlicher Ten-
denzen. Die Bestrebungen, das staatliche Eherecht auf dem Wege
eines Kompromisses mit den zuständigen kirchlichen Instanzen den
tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen, sind — wie bereits darge-
legt — ergebnislos geblieben. Ebenso sind die Bemühungen, das staat-
liche Eherecht dem geltenden kanonischen anzugleichen, über das
Stadium der vergleichsweisen «Bestandesaufnahme», die sich in Gut-
achten erschöpft, nicht hinausgekommen !. Die vom Staate bean-
spruchte und nie aufgegebene Ehehoheit verträgt sich zwar bis zu
einem gewissen Grade mit einem Konkordanzdenken, das kirchlichen
Forderungen entgegenkommt. So zeigt etwa der Entwurf von 1948
ein weitgehendes Abrücken vom Standpunkt der alleinigen Zustän-
digkeit in Ehesachen, mißt doch Art. 5 ? kirchlichen Ehenichtigkeits-
urteilen staatliche Rechtswirkungen bei. Die damaligen Reformver-
suche sind vorwiegend daran gescheitert, daß man kirchlicherseits
aus einem übertriebenen Geltungsanspruch des kanonischen Rechtes
zu keinen Zugeständnissen bereit war und es staatlicherseits an einem
klaren Rechtsstandpunkte mangelte, der ein alleiniges Vorgehen zu
begründen vermocht hätte. Verschiedene Momente haben hier nach-
haltig mithineingespielt. Das stets postulierte und z. T. auch prakti-
zierte Einvernehmen zwischen weltlichen und kirchlichen Stellen,
das unzweifelhaft die polizeistaatliche Bevormundung der Kirche
größtenteils zu beseitigen half, ließ bei den Staatsbehörden ein rechtes
Verständnis für die josefinisch-staatsherrliche Ehegesetzgebung nicht
mehr aufkommen. Die Fehldeutung der verfassungsrechtlichen Stel-
lung der katholischen Kirche als Staatskirche 3 hat bei den staatlichen
' U. a, die Rechtsgutachten von EBERS, GSCHNITZER und MARXER P.
Siehe B 100.
7 Die in Art. 37 der Verfassung garantierte Religionsfreiheit bleibt überwiegend
unberücksichtigt. Bei Hoop findet sie zwar in seiner Entgegnung auf das Gut-
achten des Ordinariates vom 22. Mai 1948, LRA Reg. Aktenbündel 246 Nr. 72,
Beachtung, indem er den Entwurf von der Sicht der Religionsfreiheit her recht-
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