Volltext: Staat und Kirche im Fürstentum Liechtenstein

Problematik einer Eherechtsreform 
Bei Mischehen erstreckt sich das "Trennungsrecht der Katholiken 
auch auf den nichtkatholischen Ehepartner. Eine Bevorzugung der 
katholischen dominanten Religion lag aber nicht in der Absicht des 
Gesetzgebers !, Diese rechtliche Konstruktion ist vielmehr vor dem 
Hintergrunde zu erklären, daß die konfessionellen Mischungsverhält- 
nisse als feststehende und beständige Fakten angesehen wurden, wobei 
der «Übertritt von einem Bekenntnisse zum andern nur nach erwie- 
senen religiösen Überzeugungen als zulässig» galt? Das Ehetren- 
nungsrecht für alle nichtkatholischen christlichen Religionsverwand- 
ten findet im $ 115 eine einheitliche Regelung, obwohl die zur Zeit 
der Ausarbeitung des ABGB in Betracht gezogenen Religionsge- 
meinschaften ? von ihrem Religionsverständnis her nur schwer auf 
einen gemeinsamen Nenner zu bringen gewesen wären. Die ablehnen- 
de Haltung gegenüber der absoluten Untrennbarkeit der Ehe, die 
$ 115 aufgriff und ins staatliche Recht übersetzte, war ihnen jedoch 
gemeinsam. 
$. 2. Die Reformbestrebungen 
I. Der Konkordatsgedanke 
Mit der Rezeption des ABGB im Jahre 1812 ist die Frage der Zu- 
ständigkeit in Ehesachen abschließend und restlos zugunsten des 
Staates geklärt worden. Über die tatsächliche Rechtslage in dieser 
Hinsicht vermag die Praxis nähere Auskunft zu erteilen. Sie vermit- 
telt uns z. T. ein ganz verwOrfenes und konfuses Bild. Vor allem in 
den ersten Jahrzehnten seit dem Inkrafttreten des ABGB, als noch 
ein schroff und rigoros praktiziertes Staatskirchentum, das dann unter 
Fürst Alois (1836-1858) merklich abgebaut wurde, tonangebend war, 
sind immer wieder Kompetenzstreitigkeiten in Eheangelegenheiten 
Ursache und Anstoß zu Zwistigkeiten zwischen weltlichen und kirchli- 
chen Behörden. Die kirchlichen Stellen ignorierten die staatliche Ehe- 
gesetzgebung. Noch am 28. April 1826 schreibt der Fürstbischof von 
Chur an den Monarchen, er habe nicht gewußt, daß die österreichi- 
ı Vgl. HUSSAREK, Ehetrennungsrecht 310 Fußn, 4. 
2 HussArzg, Ehetrennungsrecht 310. 
3 Protestanten, Griechisch-Nichtunierte, Lippowaner, Mennoniten, so aufge- 
zählt bei HUSSAREK, Ehetrennungsrecht 311. 
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