1. Abschnitt:
DAS VERHÄLTNIS VON STAAT UND KIRCHE AUF DEM GEBIETE
DES EHERECHTS IN GESCHICHTE UND GEGENWART
S 1. Anfänge und Übergang zum eigenstaatlichen Eherecht
I. Die fürstlichen Verordnungen betreffend
den politischen Ehekonsens
Ganz in die Reihe jener Gesetze, die mit vollem Akkorde in das
System des Staatskirchentums einstimmen, fügt sich die fürstliche
Verordnung betreffend die Einführung des politischen Ehekon-
senses aus dem Jahre 1804? ein. Sie ist Ausfluß eines ausgeprägten
obrigkeitsstaatlichen Denkens. Hierin meldet der absolutistische
Staat seinen legislatorischen Anspruch auf dem Gebiete des Ehe-
wesens an. Er begnügt sich vorerst mit einem einmaligen direkten
Zugriff auf das Eheschließungsrecht in Form eines staatlichen Ehe-
hindernisses. Der behördliche Genehmigungsvorbehalt ist aus der
Staatsraison erwachsen, die die «utilitas publica» ? zum Leitbild und
Maßstab staatlichen Handelns nimmt. Personen ohne «Vermögen»
and «Profession» können keine Ehe eingehen, um — wie es der staat-
lichen Intention dieser Gesetzgebung entspricht — den «Armuts-
stand», in dem ein Urquell weiteren «Unheils» erblickt wird, nicht
zu «vermehren» 3. Die polizeistaatliche Einschränkung der Ehefrei-
heit bildet den Anfang und zugleich den Übergang zum umfassenden
und gesamthaften Einbezug der Ehegesetzgebung in die ausschließ-
liche Kompetenz des betont souveränen Staates, der 1812 mit der
Rezeption des ABGB vollzogen ist. Einen so radikalen Schritt, der
«B2.
? ScHwaAs 196.
B2.
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