Vermengung von staatlichen und kirchlichen Belangen
stark spürbar ist, und sie an deren Formulierung im $9 Abs. 4!
erinnert, der nach der Zweckausrichtung eines «Religionstheiles»,
die vornehmlich in Richtung auf Kultus, Unterricht und Wohltätig-
keit hin besteht, dessen Vermögen umfassend zu bezeichnen versucht.
Die endgültige verfassungsrechtliche Normierung der Zuständigkeit
in der Vermögensverwaltung sprengt den Sachzusammenhang der
ursprünglich charakterisierten, dreischichtigen Zweckbestimmung des
Kirchenvermögens. Linde, ein enger Berater des jungen Fürsten Jo-
hannes II. 2, sprach sich gegen die Zusatzbestimmung im $ 55 (54)
aus 3, den der landständische Verfassungsausschuß beantragte, indem
er dagegen einwendete, die «weltliche Gesetzgebung» habe kein
Recht, die Verwaltung des Kirchenvermögens zu ordnen *, Diese
Entgegnung war für die Schlußredaktion des $ 55 (54), der als. $ 52
in die Verfassung von 1862 5 einging, ausschlaggebend, denn die Auf-
fassung von Linde vermochte sich voll durchzusetzen. Demnach
bleiben das Kirchenvermögen und das Vermögen der Stiftungen für
Religionsanstalten dem legislatorischen Zugriff des Staates entzogen.
Aus dem Sinnzusammenhang ergibt sich weiter, daß der Verfassungs-
geber mit der Angabe der drei Stiftungszwecke, von denen nur einer
ausschließlich «kirchlich» ist, nicht eine Umfangsbestimmung und
-beschreibung des Kirchenvermögens anstrebte und beabsichtigte.
Die Regelung der Verwaltung des Stiftungsvermögens für Unter-
richts- und Wohltätigkeitsanstalten bleibt denn auch im Unterschiede zu
dem der Religionsanstalten, der staatlichen Gesetzgebung vorbehalten.
Mit der zunehmenden Aktivierung des kitchlichen Eigenlebens,
das sich in den Priesterkonferenzen manifestiert, verstärkte sich das
! Abgedruckt, in: LIERMANN 1; 3.
2 Zur Person und Charakterisierung Lindes, s. bei GEIGER P. 234, insbesondere
Fußn. 48 und die hier angegebenen weiteren Hinweise.
3 A111 oder A 12/6 55 (54, 53, 52, 51).
* In seinen Bemerkungen vom März/April 1862 zum Entwurf und besonders
zu den Änderungsanträgen des landständischen Verfassungsausschusses, LRA
1862/XV/15, nimmt Linde zu $ 55 (54), s. den Text in: A11 oder A12, wie
folgt Stellung: «Der Zusatz angewendet auf Kirchenvermögen, wäre ein Eingriff
in die Urrechte der Kirche. Die weltliche Gesetzgebung hat kein Recht, die Ver-
waltung des Kirchenvermögens zu ordnen; und die staatliche Aufsicht über die
Kirchenangelegenheiten, soweit eine solche zulässig, geht die Stände nichts an,
sondern ist und muß bleiben Sache der Regierung. Also stimme ich gegen den
Zusatz.»
5 A 13.
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