Volltext: Staat und Kirche im Fürstentum Liechtenstein

Staatlicher und kirchlicher Zuständigkeitsbereich 
Nicht unerwähnt bleiben darf der in der Zielsetzung ausgewogenere 
Vorschlag des bischöflichen Ordinariates «ihre Verfassung, Lehre 
and Kultus genießen den vollen Schutz des Staates», der beim Ver- 
fassungsgeber auf Ablehnung stieß *. 
Der kirchlichen Selbständigkeit ist nach dem Ansinnen der am 
Verfassungswerk unmittelbar beteiligten Personen offensichltich 
auch im Begriffe der Landeskirche trotz des dadurch gekennzeich- 
neten besonderen Nahverhältnisses zum Staate ? das Wort geredet °. 
Im Staatsbewußtsein hat sich die Überzeugung breit gemacht, daß 
Staat und Kirche im Grunde zwei voneinander wesensmäßig unter- 
schiedene Größen sind *. 
Die Frage der Grenzziehung zwischen den staatlichen und kirch- 
lichen Angelegenheiten läßt sich von der Verfassung her demnach 
dahin beantworten: Ein «prä- und extrapositiver Kompetenzbereich» >, 
den man gemeiniglich mit «inneren Angelegenheiten» 6 zu bezeichnen 
und zu umschreiben pflegt, ist dec Kirche kraft ursprünglicher, 
eigener Herrschaftsgewalt zuzuerkennen. Diese « staatsfreie Sphäre» 7, 
innerhalb derer das kirchliche Selbstbestimmungstecht zu freier 
Entfaltung kommen kann, hat die Staatsordnung vorgefunden und 
1 Zitiert aus dem Schreiben des Bischofsan-den Landesverweser vom 17. August 
1921, LRA Reg. 1921 Nr. 963 oder BAC O0 1937€/1921; in einem andern Vor- 
schlage «Die römisch-katholische Kirche genießt als Landeskirche den Schutz 
des Staates nach Maßgabe ihrer Rechtsnormen», wurde eine Beeinträchtigung der 
Rechte des Fürsten und der Volksvertretung erblickt, demzufolge wurde diese 
Formulierung «einhellig» abgelehnt. So ausgeführt im Schreiben Ospelts an den 
Bischof vom 5. August 1921, BAC O 193 e/1921. 
2 Der Begriff «Landeskirche» trägt unverkennbar die Züge einer noch im 
Staate aufgehenden Kirche. Dies bezweckte der Verfassungsgeber aber wohl 
nicht. 
3 Ospelt spricht in seinem Schreiben an den Bischof vom 27. August 1921, 
LRA Reg. 1921 Nr. 963 oder BAC 0193 e/1921, von der «kirchentreuen Ge- 
sinnung» des Landtages und die Fassung des $ 37 (nach geltender Verfassung 
Art. 37, A 19) sei «vollkommen entsprechend und dem Interesse und der Stellung 
der katholischen Kirche voll Rechnung tragend». 
Dies bezeugen die Worte «... wobei ich sehr dafür bin, daß die Wahrnehmung 
der gegenseitigen Rechte möglichst einvernehmlich und in entgegenkommender 
Weise erfolge ...» aus einem Schreiben an die Kabinettskanzlei vom 2. Oktober 
1921, LRA Reg. 1921 Nr. 963, 
5 GAMpPL, in: Ius Sacrum 846. 
$ So die meisten schweizerischen kantonalen Verfassungen. 
ANTONIOLLI 229. 
WR
	        

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