Grundzüge des Staatskitchenrechts
Obwohl die Ordnungsbeziehungen zwischen Staat und Kirche
mit einer nur schwer abzutragenden, josefinisch-kirchenfremd an-
mutenden Staatskirchenhypothek belastet sind, begegnet man zu-
weilen dem sendungsbezogenen kirchlichen Wirken mit Verständnis.
Das aus staatlicher und kirchlicher Sicht zwangsläufig andersgeartete
Zuständigkeitsdenken zu Taufen von Kindern fremder, heimatloser
Eltern («Vagabunden» und «Bettler»), das einer einverständlichen
Regelung der Taufpraxis anfänglich den Weg verbaute *, so daß der
Richter Johann Schlegel dem hochlöblichen Oberamte zur Kenntnis
gab, daß das «geistliche Geseze» und das «hochfürstliche Geseze»
nicht übereinstimmten 2, vermochte das Circulare an die hochwürdige
Geistlichkeit vom 21. März 1823 ? für beide Seiten zufriedenstellend
zu überbrücken. Taufen von Kindern fremder, heimatloser Eltern
sind zulässig. Sie stellen aber nur die «Erfüllung eines göttlichen
Gebotes» dar und ziehen keine bürgerlichen Rechtswirkungen nach
sich. Damit ist dem kirchlichen Wunsche entsprochen und die staat-
lichen Befürchtungen einer eventuellen Obsorgepflicht, die den
Gemeinden überbunden worden wäre, sind gegenstandslos geworden.
Die Seelsorger sind angewiesen, diese Taufen nicht ins ordentliche
kirchliche Taufbuch, das zugleich auch das staatliche war, einzutragen,
sondern nur «geheime Vormerkungen» anzubringen. Mündliche
oder schriftliche Zeugnisse solcher «geheimer Taufen » dürfen die
Seelsorger nicht ohne Vorwissen des Oberamtes erstellen.
Diese Regelung läßt zumindest schon durchblicken, daß es spezi-
fische kirchliche Belange gibt, denen der Staat ausreichend Rechnung
zu tragen hat, auch wenn er aus eigenen Interessen mitzureden und
mitzuentscheiden gewillt.ist.
IT. Tendenzen einer freiheitlicheren Staatskirchenordnung
Der immer wieder von neuem entfachte Appell nach einer freiheit-
licheren Staatsordnung.— der geistige Schlüsselbegriff und die poli-
tische Aussage der Bittschriften des Volkes an den Fürsten — berührte
4 Vgl. dazu die Auseinandersetzung zwischen Schuppler und Bischof von Chur,
Ihre Schreiben vom 7. bzw. 12. Februar 1823, LRA F 3 pol. 41.
? LRA F 3/14. Februar 1823,
3 LRA F 3/21. März 1823.
6)