Staatlicher und kirchlicher Zuständigkeitsbereich
Verfassung den Grundsatz der kirchenpolitischen und kirchenrecht-
lichen Parität nicht kennt!, so daß von dieser Warte aus eine sche-
matische Gleichbehandlung oder gar eine rechtliche Begründung
scheitern müßte. Dem Begriff der durch das Grundgesetz gewähr-
leisteten Kultusfreiheit wohnt aber das kirchliche Verbands- und
Organisationstecht inne. Wenn nun die «Gemeindeordnung der
evangelischen Kirche im Fürstentum Liechtenstein» etwa bestimmt,
daß ihre revidierten Statuten erst nach staatlicher Genehmigung in
Kraft treten 2, bleibt davon dieses wesensmäßig originäre, inner-
kirchliche Recht unberührt. Der Staat kann die Kirchenordnung
nur unter dem Gesichtspunkte der von der Verfassung notrmierten
Schranken einer Überprüfung und Kontrolle unterziehen. Über das
festgelegte kirchliche Recht selbst kann sachlogisch nur die betreffende
Religionsgemeinschaft entscheiden und verfügen *.
1. Abschnitt:
STAAT UND KIRCHE IN DER VERFASSUNGSGESCHICHTE
$ 1. Grundzüge des Staatskirchenrechts
in den entscheidenden Stadien der Entwicklung
I. Das Staatskirchentum zur Zeit der Verfassung von 1818
Die geistig-religiösen Direktiven empfängt das Staatskirchenrecht
der landständischen Verfassung aus dem josefinisch modifizierten,
aufgeklärt-absolutistischen Staatsdenken, wie es etwa die Steuer-
verordnung von 1807, die Amtsinstruktionen von 1809 und die
Schulordnung von 1827 auf eindrückliche Weise dokumentieren *.
Der Pendelschlag der absolutistischen Staatskirtchenpraxis reichte
von der völligen Einbeziehung der iura externa bis hin zu den inner-
kirchlichen Rechten. In der konkreten, überdehnten Ausformung
hieß das: Verwaltung der Kirchenkapitalien 5 oder gar die Aufsicht
ı Vgl. Kap. I1/$ 5 und 6.
2? C9 Ziffer 19.
3 Vgl. dazu auch die Ausführungen im Kap. II $ 10.
+ Vgl. A 1 /10tens, B 7 Präambel.
5 A 1/8-10.
in