Religionsfreiheit
ten der sogenannten Notzivilehe verfahren werden müssen *. In dieser
Pflicht zur religiösen Trauung darf eine Ungleichheit vor dem Gesetze
und ein Zwang zu religiöser Betätigung angenommen werden, wird
doch der konfessionslose Staatsbürger im Falle der Ablehnung der
religiösen Eheschließung gezwungen, im Ausland die Ehe einzugehen.
Diesem unliebsamen und unhaltbaren Rechtszustand könnte durch
die Einführung der fakultativen Zivilehe — de lege ferenda sicher
erwägenswert, da sie für die katholische Kirche tragbar ist — Abhilfe
geschaffen werden. Sie würde auch dem Grundrecht der Bekenntnis-
freiheit zu vermehrtem Durchbruch verhelfen, da sie jedem — sei
er nun katholisch, evangelisch oder konfessionslos — die Möglich-
keit einräumt, nach seinem Gewissen die Ehe entweder vor dem
staatlichen, Standesbeamten oder dem Religionsdiener seiner Kirche
einzugehen, Die kirchlichen Trauungsorgane werden dadurch zwangs-
läufig auch öffentliche staatliche Organe. Dies würde eine klare Rege-
lung der öffentlich-rechtlichen Anerkennung der Kirchen bedingen.
Eine weitere Konsequenz dieser Gesetzgebung bestände darin, daß
der Staat die Zivilstandsregister in eigener Regie zu führen hätte.
Die fakultative Zivilehe geht allerdings über den Rahmen des
1948 geplanten Systems der Notzivilehe, das «in irgendeiner Art
für Notfälle» gedacht war ?, hinaus, da hier die kirchliche und staat-
liche Eheschließung einander gleichgesetzt werden. Im System der
Notzivilehe hingegen genießt der kirchliche Eheabschluß den Vor-
rang, und der staatliche greift nur in Ausnahmefällen ein 3. Der
Typus der fakultativen Zivilehe stellt m. E. die rechtlich sauberere
Lösung dar als derjenige der Notzivilehe — gleichgültig in welcher
Abstufung (relativ oder absolut) —, da er der von der Verfassung
gewährleisteten Bekenntnis- und Kultusfreiheit besser gerecht wird.
Als Begleiterscheinung der Durchsetzung der fakultativen Zivil-
ehe rückt das Rechtsinstitut der Ehescheidung — in der Terminologie
des ABGB «gänzliche Trennung» — das nur nichtkatholischen Konfes-
sionsangehörigen offen steht *, in den Brennpunkt staatlich-kirchlicher
1 Vgl. Kap. V/$ 2 IV. Die Gesetzesentwürfe betreffend die Einführung der
Notzivilehe traten aber nie in Kraft, so daß für den voterwähnten Sachverhalt
eine Regelung nicht besteht.
2 So im Schreiben der Regierung vom 20.1.1948 an das Ordinariat zu Chur,
LRA Reg. Aktenbündel 246 Nr. 72.
3 Vgl. dazu u. a. HoLsBöck, Zivilcehe 78 f.
*4 B 5/$ 115.
DA