Glaubens- und Gewissensfreiheit
Religionsfreiheit ausgelöst wurde und seit Jahrzehnten andauert *,
rührt von einer gerade durch Art. 37 überholten Landeskirchen-Sicht
her, die noch dem Einheitssystem des letzten Jahrhunderts huldigt.
Angesichts der Erklärungen des Vatikanums II über die Religions-
freiheit stellt sich unausweichlich die Frage nach der Tragweite der
durch die Verfassung verbürgten Religionsfreiheit, denn ein « katholi-
scher Staat» wird kaum weiterhin hinter der Staatskirchendoktrin der
Gesamtkirche, die die traditionelle Toleranztheorie längst aufgege-
ben hat 2, zurückbleiben können.
$ 7. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Bekenntnisfreiheit)
Die Glaubens- und Gewissensfreiheit wird im Sprachgebrauch der
Doktrin 3 vielfach mit der Bekenntnisfreiheit gleichgesetzt, da sie dem
inneren Bereich (forum internum) angehören und somit außerhalb
jeder rechtlichen Regelung liegen. Nur den Äußerungen des Glaubens
und Gewissens kann der Schutz des Grundrechts zuteil kommen,
so daß man es als zweckmäßig erachtet, insoweit die Terminologie
«Bekenntnisfreiheit» zu gebrauchen, obwohl unter Bekenntnis ur-
sprünglich * etwas ganz anderes verstanden wurde und noch heute
etwas anderes verstanden wird. Man meint damit «die Zusammen-
stellung des Glaubensinhaltes einer religiösen Gemeinschaft und
spricht von Glaubensbekenntnis» 5. Diese Auffassung findet sich noch
in Art. 39 der geltenden Verfassung, wo von der Unabhängigkeit
der staatsbürgerlichen und politischen Rechte vom Religionsbekennt-
nisse die Rede ist, das in diesem hier verwendeten Sinne nicht Be-
kennen eines Glaubens besagt, sondern ein bestimmtes Glaubensbe-
kenntnis ©
Des weitern zeichnet sich in der heutigen deutschen Staatslehre
eine Entwicklung ab, die dahin tendiert, die Gewissensfreiheit von
der Bekenntnis- und Kultusfreiheit abzuspalten und sie als Rechts-
| Vgl. B 93 und 100; dazu Kap. V.
? Dieser Ansicht ist MArEr, Religionsfreiheit 47.
» Esers, StuK 150, Mırst 322.
Vgl. etwa A 8 $16 Abs. 2.
FISCHER 39.
ZZ. B. das katholische oder das evangelische Glaubensbekenntnis.
117