Haltung des Staates zur Religionsfreiheit
Die kirchlicherseits vorgetragenen Einwände wurden nicht berück-
sichtigt, gingen sie doch, da sie als bloße Anregungen gedacht waren,
in den Hauptstreitpunkten unter !.
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$ 6. Kritische Rückblende
die Haltung des Staates zur Religionsfreiheit
I. In der Geschichte
Wenn um 1848 auch kurz — aber kaum hörbar — im Alternativenent-
wurf von Menzinger der Ruf nach Religionsfreiheit ertönte, so fehlte
ihm doch der substantielle, innere geistige Bezug zu diesem Postulat,
dem nie eine zentrale Bedeutung in der liechtensteinischen Verfas-
sungsgeschichte beigemessen wurde. Der vom Volke entfachte Libe-
ralisierungsprozeß umging die bestehende Staatskirchenordnung, auf
dessen Gestaltung der Klerus vermehrt Einfluß gewann. Zum Fak-
tum der staatskirchlichen Einheit gesellte sich das Moment einer
verstärkten Einschaltung der katholischen Kirche in die politische
Ordnung ?, Die katholische Kirche blieb aufs engste verwoben mit
dem absolutistischen Staate. Beide Mächte traten infolge gegenseitiger
Rücksichtnahme als hemmende Faktoren im Prozesse der Gewäh-
rung der Religionsfreiheit auf.
Es lag im Zuge der Verfassungsgebung, daß man vermehrt an
einen systematischen Ausbau der religiösen Grundrechte des einzelnen
herantrat. Die Verfassung von 1862 konnte diesen Vorgang nicht
ignorieren, da die Religionsfreiheit einen integrierenden Bestandteil des
Grundrechtskataloges ausmachte. Der Sinn der «Freiheit der äußeren
Religionsausübungen» ($ 8) erschließt sich erst aus der Gesamtlage des
Verfassungswerkes. Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte die-
ser Bestimmung geht es vordergründig darum, überhaupt einmal
der Person in irgendeiner Form das Recht auf Religionsübung zuzu-
sprechen. Der eindimensionalen Staatskirchenordnung waren aber
ı Siehe Kap. I $8 113 und $ 9.
Diesem Umstand hat das Volk selber Vorschub geleistet, Bezeichnend dafür
ist das vom Volke gezeigte Interesse um eine Aufbesserung der diskriminierenden
Stellung des Hecht. Klerus innerhalb des Diözesanverbandes,
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