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len, daß die Wünsche des Gewerbevereins
fast zur Gänze erfüllt wurden. Und doch
war gerade dieser zweiten Gewerbeordnung
ein kurzes Leben beschieden. Bald zeigten
sich Widerstände gegen verschiedene neue
Bestimmungen. Auch das Projekt der Ge
nossenschaft mit Pflichtzugehörigkeit war
noch nicht reif, um ein fruchtbares Wirken
zu gewährleisten. Es kam zur Revision der
Gewerbeordnung.
Die 3. Gewerbeordnung
Das Gesetz vom 13. Dezember 1915, LGBl.
Nr. 14, sagt in der Einleitung:
„Mit Rücksicht auf das zutage getretene Be
dürfnis, das Gesetz vom 30. April 1910,
LGBl. Nr. 3, in einzelnen Punkten einer
Änderung zu unterziehen..."
So trat nun auf den 1. Jänner 1916 die
dritte liechtensteinische Gewerbeordnung in
Kraft, die bezüglich der Vorschriften für die
Anmeldung und in der Einteilung in hand
werksmäßige und konzessionierte Gewerbe
wenig Änderungen zeigt, in sozialpolitischer
Hinsicht aber einen argen Rückschritt be
deutet und mit der Zwangsinnung abfährt.
Die Anforderungen für das handwerks
mäßige Gewerbe sind gleich geblieben.
Nur bezüglich der Sticker und für die in
der Regel von Frauen betriebenen hand
werksmäßigen Gewerbe (Frauenkleider-Er-
zeugung, Modistengeschäfte, Weißnäherei
und dergleichen) genügt der Nachweis der
ordentlichen Zurücklegung der üblichen
Lehrzeit. Auch wird es der Regierung an
heimgestellt, nach ihrem Ermessen von der
Beibringung von Zeugnissen abzusehen,
wenn die erforderliche Befähigung in ande
rer Art nachgewiesen ist. Auch beim Über
gang von einem Gewerbe zu einem andern
verwandten Gewerbe oder bei der Vereini
gung mehrerer Gewerbe kann die Regierung
Ausnahmen gestatten. Einen schlimmen
Rückschlag bedeutet die Herabsetzung des
Schutzalters für Kinder auf 14 Jahre. Die
Krankenversicherungspflicht für das ge
werbliche Hilfspersonal fiel dahin. Geblie
ben ist einzig die Versicherungspflicht für
die Fabrikarbeiter. Ferner blieb die Unfall
versicherungspflicht für Gewerbe mit beson
deren Gefahren (wozu auch die Fabriken
zählten); dafür fiel die Unf^llversicherungs-
pflicht für die Inhaber von anderen Unter
nehmen, die mehr als 10 Arbeiter beschäf
tigen.
Die Vorschrift der obligatorischen Gewer
begenossenschaft fiel der Revision ebenfalls
zum Opfer. § 73 der revidierten Gewerbe
ordnung gab die Möglichkeit zum privaten
Zusammenschluß in gewerblichen Vereini
gungen und verhieß solchen Zweckverbän
den staatliche Subventionen. Die Regierung
hatte solchen Verbänden von einschlägigen
Gewerbeverleihungen Mitteilung zu machen
und in gewerblichen Fragen ihr Gutachten
einzuholen.
Die dritte Gewerbeordnung ist heute noch
in Kraft. Im Laufe der Jahre wurden jedoch
etliche Änderungen und Ergänzungen not
wendig. Zu erwähnen wäre insbesondere
auch das Verbot der Errichtung von Ein
heitspreisgeschäften und Warenhäusern.
Im Rahmen des liechtensteinisch-schweize
rischen Zollanschlußvertrages wurde 1942