Volltext: Das Fürstentum Liechtenstein im Wandel der Zeit und im Zeichen seiner Souveränität

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rieht, die Falken. Unsere Zeit rechnet in 
Zahlen, doch gab sie in diesem glücklichen 
Landstrich trotzdem der Natur noch ihr 
Gastrecht. 
Aus der gleichmäßigen Ebene des Tales hebt 
sich, dem Rheine gleichgerichtet, des Esch- 
nerbergs langgestreckter Hügel. Ehemals 
völlig bewaldet und von spärlichen Wegen 
durchzogen, schützt er heute die Ortschaften 
des Unterlandes, die sich dicht an seine 
Flanken schmiegen, vor den kalten Winden 
des Nordens. Zwischen seinen Ausläufern, 
die als Kranz von Hügeln ihn umgeben, 
ducken sich die Häusergruppen, von Obst 
bäumen halb verdeckt. Spärlich sind die 
Trittsiegel der Wanderer in den Wäldern 
am Schellenberg, obwohl er ihnen nicht ein 
mal Bergschuhe aufnötigt. Aber so ist es 
gut, denn einmal erschlossen, könnte er 
seine herbe Schönheit kaum frei von Staub 
und Lärm halten. Es ist nicht zu denken, 
daß man unbeeindruckt von seinen südlichen 
Hängen über die Weite des Tales zum Fili 
gran der Kirche von Schaan, zum silbrigen 
Band des Rheins oder zur steinernen Wucht 
der Dreischwestern blickt, oder daß der 
Rahmen von schneebedeckten Gipfeln das 
Bild nicht als Kunstwerk empfinden läßt. 
Unter dichten Tannen und Fichten leiten 
moosbewachsene Wege den Schritt zur mühe 
los erklommenen Höhe. Nur das Wispern 
der Meisen, das Klopfen des Spechts und 
das Schrecken der Rehe geben im dichten 
Gehölz eine Ahnung vom Leben ringsum. 
Wo Haselstauden und Himbeerhecken den 
Waldrand säumen und das Heu auf welliger 
Wiese inmitten einer lauschigen Lichtung 
starken Heilkräuterduft verströmt, hat sich 
der Hügel unvermittelt zum Buckel geformt. 
Von Süden her scheint er nur sanft erhoben, 
im Osten lugt blankes Gestein durch Heide 
kraut und karges Gras. Im Westen und 
Norden aber zeigt er trutzig wehrhafte 
Wand, selbst im Dickicht von Stauden noch 
unbezwinglich und schroff. Hier würde man 
sich, versetzt in frühere Zeiten, seine Burg 
errichten, geschützt durch den Abgrund zu 
beiden Seiten, leicht zu beschirmen von den 
anderen Flanken. Nur der kundige Wan 
derer weiß, daß hier eine Burg einst gestan 
den. Und wer weder die Dornen scheut noch 
das Klettern auf losem Gestein, steht jäh 
vor den letzten Trümmern einer einst küh 
nen Feste, der Burg Neu-Schellenberg. Von 
hier schweift der Blick nordwärts weit über 
die Grenzen, umfaßt das ganze Tal, streicht 
über die Höhen und Wälder und findet erst 
Halt beim mattschimmernden Fleck des Bo 
densees. Noch erkennt man des Torbogens 
kühne Wölbung, noch wehrt sich des Turmes 
massives Geviert gegen totalen Verfall. 
Doch klimmt der Efeu hartnäckig höher 
zwischen den Blöcken, in jede Fuge klemmt 
sich lebendes Wachstum, das Werk der Zer 
störung vollendend. Hier zerfällt ein histo 
risches Denkmal allein und vergessen, von 
wenigen nur beachtet und von diesen weni 
gen nur in hilfloser Wehmut bedauert. 
Und wieder ist es anderes Bild, das sich an 
der Ostflanke bietet, wo der Fuß des Wan 
derers genau auf der Grenze steht. Hier 
schrickt er unwillkürlich zurück, denn die 
Wipfel der höchsten Tannen stehen spiel 
zeuggleich unten, und über jäh abstürzen 
dem Fels steht er gebannt weit über der Ein 
gangspforte zum Arlberg, während schach
	        

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