Volltext: Das Fürstentum Liechtenstein im Wandel der Zeit und im Zeichen seiner Souveränität

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Das alles spielte sich aber noch im weitge 
spannten Rahmen des Heiligen Römischen 
Reiches Deutscher Nation ab. Unser Staats 
gebiet war bis zum Schwabenkrieg (1499), be 
ziehungsweise formell bis zum Westfälischen 
Frieden (1648) ganz von deutschen Landen 
umgeben. Schon der Friede zu Basel, der 
dem Schwabenkrieg ein Ende setzte, brachte 
in Wirklichkeit, wenn das auch nicht aus 
drücklich erwähnt wurde, die Loslösung der 
Schweiz vom Reiche. Im Friedensschlüsse 
von 1648 wurde dann diese Ablösung aus 
drücklich ausgesprochen. Jetzt war Liechten 
stein — damals noch Grafschaft Vaduz und 
Herrschaft Schellenberg — eigentliches 
Grenzland geworden. Mit der Auflösung 
des Reiches im Jahre 1806, also mit der 
Erlangung der Eigenstaatlichkeit, löste sich 
auch zwangsläufig die letzte Bindung zu 
Österreich, die bis dahin in der gemeinsamen 
Zusammengehörigkeit zum Reiche bestanden 
hatte. Unser Land war tausend Jahre hin 
durch wohl ein Bestandteil des Reiches — 
lange Jahrhunderte als reichsunmittelbare 
Grafschaft und Herrschaft und ab 1719 als 
Reichsfürstentum — es gehörte indessen nie 
zu Österreich, was öfters übersehen wird. 
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es auch 
im Rheintal große politische Veränderun 
gen: 1803 wurde der Kanton St. Gallen aus 
einer beträchtlichen Zahl von mehr oder 
weniger selbständigen Territorien gebildet. 
Unsere direkten westlichen Nachbarn freu 
ten sich an der neuerlangten Gleichberechti 
gung — große Teile des Kantons St. Gallen 
waren bis dahin gemeine Vogteien. Die offi 
zielle Bezeichnung des neuen Kantons lau 
tete: „Souverainer eidgenössischer Kanton 
St. Gallen“. Vorarlberg und Tirol waren 
kurz vor der Auflösung des Reiches von 
den Bayern besetzt worden und mußten im 
Frieden zu Preßburg (1805) von Österreich 
an Bayern abgetreten werden. Erst nach 
dem endgültigen Sturze Napoleons kamen 
die zwei Kronländer zu Österreich zurück. 
1938 wurde Österreich gewaltsam dem 
Dritten Reiche einverleibt, und damit wurde 
Großdeutschland über Nacht wieder unser 
Nachbar. Eine etwas ungemütliche Nachbar 
schaft bei der stark betriebenen „Heim-ins- 
Reich“-Propaganda. Mit dem Wiedererste 
hen Österreichs im Jahre 1945 lebten auch 
die guten alten nachbarlichen Verhältnisse 
wieder auf und seit dem letzten Jahre ist 
Österreich wieder ein unabhängiger Staat, 
der ähnlich wie die Schweiz seine Neutra 
lität erklärte. Unser Land liegt somit heute 
zwischen zwei neutralen Staaten, eine Tat 
sache, die in ihrer Bedeutung kaum über 
schätzt werden kann. 
Die im Jahre 1806 erlangte Eigenstaatlich 
keit zeigte bald auch ihre Schattenseiten. 
Trotz Zugehörigkeit Liechtensteins zum 
Rheinbund (1806 bis 1814) und ab 1815 
zum Deutschen Bund, machte sich eine zu 
nehmende wirtschaftliche Isolierung geltend. 
Während sich alle deutschen Gliedstaaten 
im deutschen Zollverein vereinigten (1824), 
blieb Österreich dieser Vereinigung fern. Es 
machte sich die Rivalität zwischen Preußen 
und Österreich schon stark bemerkbar, die 
dann 1866 zum Kriege und zur Auflösung 
des Deutschen Bundes führte. Unser Land 
war durch Österreich von den anderen Staa 
ten des Deutschen Bundes räumlich getrennt 
und konnte daher nicht dem deutschen Zoll-
	        

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