Volltext: Das Fürstentum Liechtenstein im Wandel der Zeit und im Zeichen seiner Souveränität

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Der Sonderfall der Staatswerdung hat, wie 
bereits erwähnt, eine Parallele in der Erlan 
gung der Souveränität. Gewöhnlich ist es 
sonst das Volk, das sich zusammenschließt 
oder durch äußere Ereignisse und Umstände 
dazu gezwungen wird. Der Selbstkonstituie 
rung folgt ein Ringen um Anerkennung, ein 
Wachsen von innen nach außen, d. h. zuerst 
eine sog. de facto und meistens erst später 
eine de iure Anerkennung. Unser Land er 
hielt die Souveränität von außen, gleichsam 
wurde dieselbe adjeziert. Nach der — ge 
wissermaßen — Grundsteinlegung des Staa 
tes im Jahre 1719 und der damit verbun 
denen staatlichen Existenz, folgte durch die 
Souveränitätsbegründung der Auf- und 
Ausbau desselben. 
Der geschichtliche Szenenwechsel in den 
beiden Herrschaften Schellenberg und Va 
duz bis zur Staatswerdung Liechtensteins, 
nämlich: Grafschaft, Reichsherrschaft, Reichs 
fürstentum und schließlich souveränes Für 
stentum unter dem Namen Liechtenstein, 
hat eine historische Parallele: Absolute 
Monarchie (1719—1818), landständische 
Verfassung (1818—1826), konstitutionelle 
Monarchie (1862—1921) und seit 1921 die 
„konstitutionelle Erbmonarchie auf demo 
kratischer und parlamentarischer Grund 
lage“. 
Die absolute Monarchie (1719—1818) be 
deutet einen Staat, in welchem alle staatliche 
Macht unbeschränkt dem Monarchen zu 
steht, alle Ausübung staatlicher Autorität 
auf seinen Willen zurückgeführt wird und 
in seinem Auftrag und Namen geschieht. 
Der Fürst vereinigt in sich die gesamte 
Staatsgewalt und überträgt ihre Ausübung 
widerruflich seinen Beamten, und zwar dies 
lediglich aus Rücksichten der Arbeitsteilung. 
Es steht in seinem Belieben, an jedem Punkte 
der Gesetzgebung, der Verwaltung oder der 
Rechtspflege einzugreifen und jederzeit des 
Richteramtes zu walten. So konzentriert sich 
die Staatseinheit in der Person des Fürsten. 
Vorhandene Volksrechte — insbesondere 
politische Einrichtungen der Gemeinden — 
wurden, der herrschenden absolutistischen 
Theorie entsprechend, als usurpierte Ho 
heitsrechte vom Souverän heimgeholt. 
Der Anstoß zu einer verfassungsmäßigen 
Neuordnung kam von außen: Artikel 13 
der Deutschen Bundesakte bestimmte, daß 
in jedem Bundesstaate — Liechtenstein war 
zu dieser Zeit Mitglied des Deutschen Bun 
des — eine landständische Verfassung zu 
erlassen sei. Dieser Vorschrift entsprach 
Fürst Johann I. durch die Verfassung vom 
9. November 1818. Der ständische Staat 
faßte die politischen Untergewalten (Adel, 
Geistlichkeit, Städte und Landleute) als 
Stände zu einer Einheit zusammen und 
stellte sie dem Fürsten gegenüber. Ein 
„Landtag“, der in Wirklichkeit keiner war, 
da die ständische Verfassung keine Volks 
vertretung im heutigen Sinne kannte, setzte 
sich — Adel und Städte fehlten — allein 
aus Vertretern der Geistlichkeit und der 
wohlhabenderen Landsleute zusammen. 
Monarch und „Stände“ waren fortan die 
beiden Gegenspieler. Was die Wiener Schluß 
akte in Artikel 57 formulierten, war in Liech 
tenstein 1818 verwirklicht: „Der Souverän 
kann durch eine landständische Verfassung 
nur in der Ausübung bestimmter Rechte an die 
Mitwirkung der Stände gebunden werden.“
	        

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