Volltext: Das Fürstentum Liechtenstein im Wandel der Zeit und im Zeichen seiner Souveränität

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FÜRST, VOLK UND STAAT 
Dr. Gregor Sieger 
I. 
Wie Liechtensteins Staatswerdung ein Son 
derfall darstellt, so auch die Erlangung 
seiner Souveränität. Der Berührungs- und 
Schnittpunkt ist das Zusammentreffen 
zweier an sich völlig getrennter — räumlich 
und herkommensmäßig — Entwicklungs 
reihen, die im geschichtlichen Ablauf als 
staatsbildende Kräfte wirkten. 
Die Formulierung „Im Anfang war der 
Fürst“ ist insofern richtig, als die Liechten 
steiner bereits ioo Jahre früher, als sie mit 
der Herrschaft Schellenberg und der Graf 
schaft Vaduz auf der geschichtlichen Szene 
erscheinen, den Fürstentitel trugen. Das 
Wesentliche bei der Erwerbung der beiden 
Herrschaften — Schellenberg und Vaduz — 
am Oberrhein war nicht der Wille des Für 
sten, sich einen eigenen Staat zu schaffen und 
in diesem Staat zu herrschen, als durch diese 
beiden Territorien die Voraussetzungen für 
den Eintritt des Fürstenhauses ins Reichs 
fürstenkollegium zu ermöglichen. Liechten 
steins Staatswerdung ist insofern eigenartig, 
als das neue Staatswesen weder durch krie 
gerische Ereignisse, noch durch Loslösung 
von oder Vereinigung mit einem anderen 
Staate entstand. Rechtlich ist bereits seit 
dem 23. Januar 1719 Liechtensteins Exi 
stenz unbestreitbar, wenn ihm auch — es 
war Mitglied eines Staatenbundes — die 
Souveränität fehlte. Staatsgebiet, Staatsvolk 
und eine Staatsgewalt sind vorhanden. Die 
Lage des Staatsgebietes an der Peripherie 
des Reiches, an der Grenze zwischen Öster 
reich und der Schweiz, vermehrt die Chan 
cen seiner Erhaltung. Das Staatsvolk — 
wenn auch nicht durch seinen unmittelbaren 
Willen dieses Staatswesen schaffend — spiel 
te nicht nur lediglich eine passive Rolle. Die 
Bildung des Staates „vollzog sich ohne Mit 
wirkung nationaler Gegebenheiten und po 
litischer Konsequenzen, ohne daß aus einer 
natürlichen inneren Notwendigkeit heraus 
dieses Volk infolge seiner stämmischen, 
sprachlichen, wirtschaftlichen, geistigen An 
lagen und Eigentümlichkeiten zur geschicht 
lichen Tat der Volksorganisation getrieben 
worden wäre" (Zurlinden).
	        

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