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erwähnen. Auch der leider zu früh verstor
bene Josef Hoop aus Ruggell darf hier nicht
vergessen werden.
Das Gültigste und Beste über das Land ist
aber doch von Fremden, von Besuchern, ge
sagt worden: Wer selber im Märchenland
lebt und aufgewachsen ist, scheint es nicht
so leicht beschreiben zu können wie der, der
von außen kommt und dem die Unterschiede
zu profaneren Gebieten deutlicher auffallen.
Märchenland? Ist das nicht ein bißdien zu
hoch gegriffen? Hören wir einmal Clemens
Brentano, er schreibt in der Zueignung sei
nes Märchens „Gockel, Hinkel und Gacke-
leia“ an Marianne Willemer (Goethes Sulei-
ka aus dem West-Östlichen Divan): „Das
Ländchen Vadutz habe ich von Jugend auf
seines kuriosen Namens wegen gar lieb ge
habt, ohne doch je zu wissen, wo es eigent
lich liegt; ich habe auch nie darnach gefragt,
um nicht aus einem jener Träume zu kom
men, welche die Pillen der sogenannten
Wirklichkeit vergolden. Vadutz ist mir noch
jetzt das Land aller Schätze, Geheimnisse
und Kleinodien, und dort ist mir das Thule,
wo der König den liebsten Becher, ehe er
starb, in die Flut hinabgeworfen... Alle
Wundergebirge der Geschichte, Fabel und
Märchenwelt, Himalaya, Meru, Albordi,
Kaf, Ida, Olymp und der gläserne Berg
lagen mir im Ländchen Vadutz. Alle selt
samen, merkwürdigen und artigen Dinge
von den Reichskleinodien bis zum Nürn
berger Guckgläschen um vier Kreuzer, in
dem Erbsen, Goldblättchen und blauer
Streusand, unter einem Vergrößerungsglas
geschüttelt, alle Schätze der Welt darstellen,
schienen mir aus Vadutz zu sein.“ Sicher,
hier ist das Märchenland Vaduz ein reines
Phantasieland, das mit dem Fürstentum nur
den Namen gemein hat; Brentano ist in
seinem Leben nie nach dem richtigen Vaduz
gekommen. Ähnlich scheint es sich auch mit
den Beziehungen eines anderen großen Ro
mantikers zu Vaduz zu verhalten. Jean Paul
läßt im Roman „Siebenkäs“ den Helden,
der von seiner Frau loskommen will, sich
mit Hilfe eines Freundes krank stellen und
scheinbar sterben. Der makabre Trick ge
lingt. Siebenkäs tritt unter dem Namen des
Freundes in Vaduz auf, wo er Inspektor des
Fürsten wird und sich mit seiner geliebten
Natalie verbindet. Auch hier ist Vaduz wohl
nicht um seiner selbst willen gewählt, son
dern als ein fernes Land, fern von allen
Schwierigkeiten und lästigen Dingen des
früheren Daseins, eben wieder eine Art Mär
chenland, wo sich ein neues Leben beginnen
läßt. Nicht das echte Liechtenstein glauben
wir auch bei einem anderen Dichter zu fin
den, obwohl hier eine wirkliche Reise durch
das Land zugrunde liegt. Der französische
Romanschriftsteller Alexandre Dumas gibt
zu Anfang der dreißiger Jahre des letzten
Jahrhunderts die Beschreibung einer Reise
heraus, die er durch die Schweiz gemacht
hatte, betitelt „Impressions de voyage“. Da
bei war er auch durch das Fürstentum ge
kommen. Er beschreibt, wie er von Maien
feld her bei sehr schlechtem Wetter die Lu-
ziensteig überschreitet (Saint-Lucien deSteik
nennt er sie): gegen Abend gelangt er nach
Vaduz, wo er gegen seinen Willen über
Nacht bleiben muß: „Depuis notre départ,
il pleuvait à verse, et le cheval et le conduc
teur refusèrent obstinément de faire un pas