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Als Industriebetrieb eigener Art ist der
Steinbruch in Balzers anzusprechen, der im
letzten Jahrhundert bis 1914 bis zu 40 Ar
beiter beschäftigte. Beschäftigt waren haupt
sächlich Arbeiter aus Balzers und Steinmetze
aus Italien. Der Marmor aus Balzers wurde,
gehauen oder geschliffen, weit über die
Grenzen unseres Landes bekannt und ge
langte hauptsächlich nach Österreich, in die
Schweiz und nach Süddeutschland, ja sogar
bis in die Gegend von Frankfurt.
Daß sich die liechtensteinische Industrie und
deren Anlagen, ausgenommen der Balzner
Steinbruch, ausschließlich auf die Dörfer
Vaduz und Triesen beschränkte, ergibt sich
zwangsläufig aus der Tatsache, daß an den
Schutthängen dieser Gemeinden genügend
Wasser und genügend Gefälle vorhanden
war, um die notwendige Kraft zum Antrieb
der Maschinen zu liefern. Die günstigen
Wasser- und Gefälleverhältnisse haben
schon frühzeitig dazu geführt, daß das Was
ser zu gewerblichen Zwecken ausgenützt
wurde, und zwar standen hier offenbar
schon in den früheren Jahrhunderten Müh
len, Sägereien und vor allem Hanf- und
Flachsbrechen und Hanf- und Flachsbleiche
reien. Die von diesen gewerblichen Betrieben
ausgenützten Wasserrechte wurden im Ver
laufe des letzten Jahrhunderts durch die
entstehende Textilindustrie restlos aufge
kauft, die Mühlen wurden verdrängt.
Als die liechtensteinische Behörde nach dem
Weltkriege im wirtschaftlichen Zusammen
bruch des Landes, als Folge des Untergan
ges der Österreichisch-Ungarischen Monar
chie, sich gezwungen sah, die Wirtschaft des
Landes den neuen Verhältnissen anzupas
sen, holte sie ein Gutachten eines anerkann
ten schweizerischen Volkswirschafters, des
großen Liechtensteiner Freundes Jakob Lo
renz ein, welcher nach eingehendem Studium
zu der Auffassung gelangte, daß Liechten
stein nur drei Möglichkeiten habe, die totale
Verarmung des Volkes zu überwinden,
nämlich:
a) Ausbau der eigenen Land- und Forst
wirtschaft;
b) Export der Arbeitskräfte in die Schweiz
(Saisonarbeiter);
c) Industrialisierung des Landes durch Her
anziehung neuer Industrien oder Wie
derbelebung früherer Industrien.
Da die liechtensteinische Forstwirtschaft
kaum genügte, den eigenen Bedarf an Bau-
und Brennholz zu decken, war von ihr eine
weitgehende Entlastung des liechtensteini
schen Arbeitsmarktes und eine Wiederbele
bung der liechtensteinischen Wirtschaft nicht
zu erhoffen. Der Landwirtschaft, die neben
dem Kleingewerbe, das ja damals aus
schließlich der Deckung des lokalen Bedar
fes zugewendet war, die einzige Grundlage
für einen Wiederaufbau blieb, mußte man
also versuchen, eine günstige Wirtschaftslage
zu geben. Diese Bestrebungen drohten an
der zunehmenden Versumpfung des Rhein
tales zu scheitern. Im Anfang des Aufbaues
der Landwirtschaft hatte also eine groß
zügige Entwässerung der Rheinebene zu
erfolgen, die erst der Landwirtschaft den
nötigen Boden zu einer intensiveren Bewirt
schaftung sichern konnte.
Die beabsichtige Industrialisierung des Lan
des erwies sich als außerordentlich schwie
rig. Viele Versuche der liechtensteinischen