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men, zur Winterszeit über die Savoyer Alpen und gelangte
unter vielen Mühen nach Italien. Drei Tage harrte er im
Bußgewand im Vorhofe des Schlosses Canossa, wohin der
Papst vor dem König geflohen war, und bat um Verzeihung
und um Befreiung vom Banne. Nur auf die Fürbitte der
Markgräfin Mathilde, des Abttzs von Clügny und Anderer
erhielt er die Absolution unter der Bedingung, daß er sich
gegen die Anklagen der Fürsten auf einem Reichstage verant
worte und bis dahin sich der Reichsverwaltung enthalte.
Kaum aber hatte der König Canossa verlassen, als er sich von
Männern umgeben sah, die keine Aussöhnung mit dem Papste
wollten und ihn zu einem Benehmen verleiteten, das dem
gegebenen Versprechen zuwider war. Heinrichs IV. Charakter
gewährte keine Aussicht auf eine gerechte Regierung. So ward
auf dem Tage zu Forchheim, welchem auch der Bischof von
Chur beiwohnte, der König abgesetzt und Rudolf, der Herzog
von Schwaben und Rätien, zum Könige ausgerufen (1077).
Dies war das Zeichen zu einem traurigen Bürgerkriege, der
Entzweiung in alle Familien und Stände brachte und Deutsch
land mit Raub, Mord und Brand erfüllte. Auf diese Nach
richt kam Heinrich IV. aus Italien, warb allenthalben Kriegs
volk, drang in Schwaben ein und zwang unter furchtbaren
Verheerungen den Gegenkönig Rudolf, feine Zuflucht bei den
Sachsen zu suchen. Unter den rätischen Großen standen auf
Seite des Papstes und des Gegenkönigs Rudolf: Bischof Hein
rich von Chur, Graf Hugo von Tübingen, die Grafen Ulrich
und Marquard von Bregenz, das mit den Bregenzer Grafen
verwandte Haus der Grafen von Dillingen—Kiburg. Dagegen
stand Graf Otto von Buchhorn, gleichen Stammes wie die Bre
genzer Grafen, auf Heinrichs IV. Seite, desgleichen der Graf
Ulrich von Lenzburg, Kastragt von Schännis, Abt Ulrich von
St. Gallen u. a. Einige Familien waren geteilt, die einen
auf des Königs, die andern auf des Papstes Seite.
König Heinrich hielt mit feinen Anhängern einen Tag
zu Ulm. Da wurden der Gegenkönig Rudolf, der Herzog
Bertold von Zähringen und Herzog Welf ihrer Güter, Wür
den und des Lehens verlustig erklärt. Der Papst tat den König
abermals in den Bann. Der Krieg brachte keine Entscheidung.
Aber schrecklich verwüstete Heinrich IV. die Länder seiner
Gegner in Schwaben, besonders die des Zähringers und des
Welfen, so daß der Erstere vor Schmerz darüber in Wahn
sinn verfiel und starb. Tapfer verteidigte Graf Hugo sein
Schloß zu Tübingen. Herzog Welf aber zog gegen die Grafen
von Oberrätien, brach durch die Klause bei Götzis und über