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zu unterdrücken, damit das Volk an Ehre, Leib und Früchten
gesichert bleibe. Dem Begehren wurde entsprochen. Bald nahm
die Angeberei so überhand, daß fast keine Familie verschont
blieb und das ganze Land in den schlimmsten Ruf kam, als ob
alles Gott und der hl. Religion abgeschworen und sich dem
leidigen Satan ergeben hätte. Geschwister traten gegen Ge
schwister, Kinder gegen die Eltern und umgekehrt; kein Band
der Freundschaft und der Natur wurde mehr geachtet. Wie
eine ansteckende Seuche ergriff das Uebel alle; kein Stand blieb
verschont, auch die Geistlichen nicht. Familien traten gegen
Familien auf und Gemeinden gegen Gemeinden. Bald war
es nicht mehr der Aberglaube an die Zauberei, der feine Opfer
suchte, sondern Rache, Feindschaft und Habsucht. Die Obrigkeit
lieh dem schrecklichen Treiben ihren Arm, weil sie selbst im
Aberglauben befangen war und hier ein Mittel fand, ihren
zerrütteten Finanzen in etwas aufzuhelfen; denn das Vermö
gen der Verurteilten fiel ihr zu. Man mußte es für eine
Gnade halten, wenn es den Erben der Hingerichteten erlaubt
ward, die Konfiskation des ganzen Vermögens um eine be
stimmte Summe loszukaufen. Es wurde mit diesem Geschäft
ein ordentlicher Markt getrieben; man hieß es „mit der Herr
schaft abkommen". Ein Verzeichnis solcher „Abkommen" vom
Jahre 1648 ist noch vorhanden. Ein Triesnerberger kam ab
um zwei „Kälbli" und ein „Geißli", die er in das Schloß Vaduz
lieferte. Der Pulvermacher von Schaan kam ab um einen
Zentner Pulver, ein anderer um zwei Ochsen, ein dritter um
eine feiste Kuh, ein Vaduzer um 30 Viertel Most, ein Balzner
um eine fette Sau. Von denjenigen, welche um Geld abkamen,
belief sich'die Summe auf 12.000 Gulden. Von der Landschaft
Schellenberg, wo das Übel nicht weniger herrschte, haben sich
keine solche Verzeichnisse erhalten.
Es bildete sich eine eigene Bande, die man „Brenner"
oder „Brennerknechte" nannte; diese hielten ein Verzeichnis
derjenigen, die im Gerüche der Hexerei standen, und überlie
ferten sie den Gerichten. Die Brenner waren die blinden Werk
zeuge finsterschleichenden Aberglaubens oder tückischer Rache,
eines entsetzlichen Wahnes. Dieser Wahn war eine ansteckende
geistige Krankheit, welche ohne Unterschied der Religion alle
gleichmäßig ergriff und über Deutschland, Oesterreich und die
Schweiz sich verbreitete. Auch im Prätigau und in anderen
Gegenden Bündens waren die Hexenprozesse zahlreich und die
Hinrichtungen und Verbrennungen häufig. Rur scheint das
Übel in unseren Landschaften eine verhältnismäßig größere
Ausdehnung und Dauer gehabt zu haben. Die Jahrbücher von