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Landanweisung. Unter der Aufsicht der Grafen standen die
königlichen Güter und Gefälle des Gaues; ihrem besonderen
Schutz waren die Kirchen und Klöster empfohlen und die
Witwen und Waisen, deren Klagen sie zuerst hören sollten.
Das Reich war in Distrikte geteilt, die man Gaue nannte,
und jedem Gau stand ein Graf vor. Ein solcher Gau war
Churrätien und er wurde in kleinere Bezirke geteilt; diese
hießen Ministerien (Untergrafschaften oder Zentgrasschaften)
und der Beamte, welcher ihnen vorstand, ward Schultheiß ge-
nannt. Die Schultheißen standen unter dem Grafen; sie hatten
über geringere Sachen zu richten und führten das Volk ihres
Bezirks, wenn es aufgeboten wurde, ins Feld.
In den Gauversammlungen unter dem Vorsitz des Gra
fen wurden nicht bloß Rechtssachen, sondern auch Verwal-
tungs- und Regierungsgegenstände behandelt. Auf den allge
meinen Reichsversammlungen, die im Frühling und Herbst
gehalten wurden, erschienen nur die geistlichen und weltlichen
Großen des Reiches. Da wurde über Krieg und Frieden,
über Gesetze und andere Reichsangelegenheiten verhandelt.
Da die Grafen so große Gewalt hatten, suchte der Kaiser
dem Mißbrauch derselben zu steuern durch Einführung der
königlichen Boten. Diese hatten viermal des Jahres im Gau
zu erscheinen, die Verwaltung der Grafen zu prüfen, Klagen
über dieselben anzuhören und Mißbräuche abzustellen. Von
diesen Boten war einer ein Geistlicher, gewöhnlich ein Abt
oder Bischof, weil ihnen auch die religiöse Aufsicht oblag. Un
taugliche Schöffen wurden entfernt und mit Zustimmung der
Gaugemeinde andere, würdigere an ihre Stelle gesetzt. Richt
nach Willkür sollten die Richter sprechen, nach dem geschrie
benen Gesetz; darum wurde neben Rechtschaffenheit und Wahr
heitsliebe genaue Kenntnis der Gesetze von ihnen verlangt.
Die Güter des Hochstiftes Chur, wie die des „Klösterleins"
zu Pfäfers waren gefreit und standen unmittelbar unter dem
Kaiser. Er befahl ihnen Schirmvögte anzunehmen, aber nur
solche, welche im Gau begütert seien. Die Schirmvögte saßen
zu Gericht über die Leute, welche auf den Stifts- und Kloster-
gütern faßen, so oft sie vom Bischof oder Abt dazu berufen
wurden. Die Schirmvögte bestellte anfänglich der Kaiser; spä
ter erhielten die Gotteshäuser das Recht, ihre Schirmvögte
nach Belieben zu wählen. Die Kammergüter, welche nicht zum
Privateigentum der Kaiser gehörten, sondern die sie nur wäh
rend ihrer Regierungszeit zu nutzen das Recht hatten, waren
ebenfalls gefreit, und die darauf gesessenen Leute wurden von
eigenen Vögten gerichtet, die man Reichsvögte nannte.