36
5. Graf Viktor II. Die Stiftung von Psäfers.
Zu diesen Zeiten war St. Luzi in Chur eine Pflanzschule
der Bildung von Geistlichen und Weltlichen, bis die Schulen
in St. Gallen und Reichenau alle in der Nähe verdunkelten.
Othmar, ein Jüngling aus Alemannien, kam nach Chur
zum Grafen Viktor, um dort in den Wissenschaften unterrichtet
zu werden. In St. Luzi wurde er in göttlichen Dingen unter
richtet, wurde Priester und stand später der Kirche des hl.
Florin zu Remüs mit solchem Eifer vor, daß der Ruhm seiner
Tugenden über die Grenzen Rätiens erscholl. Der Zentgraf
des Thurgaues, in dessen Bezirk St. Gallen lag, erbat sich ihn
zum Abt für dieses Kloster und Viktor II. willfahrte seiner
Bitte (720). St. Othmar wurde der erste Abt von St. Gallen.
Er legte den Grund zum darauf folgenden goldenen Zeitalter
seines Stiftes in Bezug auf Wissenschaft und klösterliche Dis
ziplin. Rach langer und segensreicher Wirksamkeit wurde er
auf seiner Reise nach Konstanz von zwei Gaugrafen aufge
griffen und starb 6 Monate darauf im Kerker (759).
Damals nahm auch das Gotteshaus Pfäfers seinen An
fang. Der hl. Pirmin, ein Stifter und Reorganisator vieler
Klöster, kam nach Rätien. Er war auch der Gründer des
Benediktinerklosters Pfäfers. Die Sage berichtet: Bei Marsch
lins sollte das neue Gotteshaus errichtet werden. Als man
das Holz dazu zimmerte, verwundete sich ein Arbeiter und
sein Blut benetzte die Holzspäne. Siehe, da erschien eine weiße
Taube, nahm einen blutigen Span in den Schnabel, flog auf
eine waldige Anhöhe ob Ragaz. Diesem Zeichen folgte der
hl. Pirmin, und wo die Taube den Span fallen ließ, da ward
das Kloster gebaut. Der Heilige empfahl die noch junge Stif
tung dem Abte Etho von Reichenau, welches Kloster bereits
in hohem Rufe stand. Auch der Graf Viktor II. sandte an
ihn, um Bücher und tüchtige Männer für die rätischen Klöster
zu erhalten. Der Abt Etho schickte 12 Mönche nach Pfäfers.
Baldebert, ein Schüler des hl. Pirmin, war der erste Abt
daselbst; er wurde nach dem Tode des Vigilius auf den bischöf
lichen Stuhl von Chur berufen. St. Pirmin starb im Jahre
753 und sein hl. Leib ruht in der Jesuitenkirche zu Innsbruck.
Graf Viktor II. hatte von seiner Gemahlin Theusinda
mehrere Söhne, von denen Zacco II. seinem Vater im Grafen-
amt folgte, Tello aber zur Bischofswürde gelangte.
Bor diesem Bischof hatte der hl. U r s i z i n den bischöf
lichen Stuhl von Chur inne. Er war ein Verwandter der
Grafenfamilie und Abt des Klosters Disentis. Er stand mit