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andere Städte. Nun seien ihre Dokumente verbrannt, sie bäten
daher um Bestätigung obiger Rechte durch eine Urkunde. Der
Kaiser gab ihnen dieselbe und erlaubte dem Bürgermeister
und Rat und der Gemeinde zu Chur die Reichsvogtei, welche
Bischof Ortlieb vom Reich zum Pfand habe, einzulösen und
sie als Pfand vom Reiche zu besitzen, mit dem Versprechen,
daß weder er noch seine Nachfolger in den nächsten 16 Jah
ren gedachte Vogtei „ledigen" werden. Die Stadt solle ferner
die Freiheit haben, Zunft- und gunftrecht zu ordnen, hohe
und niedere Gerichte zu hegen, jedes Erbgut, ob geistlich oder
weltlich, mit Steuern, Diensten, „Werchgeld und Usschlag" zu
belegen und den halben Teil des Umgelds zu genießen. —
Durch diese Urkunde erhielt die Stadt Chur die Rechte einer
freien Reichsstadt und sie machte alsbald Gebrauch davon. Alle
öffentlichen Akten wurden unter dem Stadtsiegel ausgefertigt.
Dem Bischof blieben keine hoheitlichen Rechte mehr. Die
Stadt suchte auch die vier Dörfer Trimmis, Igis, Zizers und
Untervaz zu ihrem Gebiet zu machen. Standhaft und nach
drücklich widersetzte sich der Bischof den Übergriffen und Ge
walttätigkeiten der Stadt. Graf Georg von Sargans, der
graue Bund und die zehn Gerichte vermittelten; die Sache
kam zur Entscheidung an die drei Bünde (1483). Bischof
Ortlieb wandte sich an den Kaiser, dasselbe tat Chur. Der
Kaiser erklärte (1488), er habe das Recht, den Rat in der
Stadt Chur zu setzen, die Vogtei daselbst samt den vier Dör
fern, ferner das Ammann-, Viztum- und Präfektenamt in
der Stadt zu vergeben, dem Bischof versetzt; er erlaube da
her der Stadt Chur obige Rechte vom Bischof einzulösen und
sie als Reichspfand zu besitzen, doch mit Vorbehalt der Wie
dereinlösung. Dies brachte neue Mißhelligkeiten. Bischof Ort
lieb machte Vorstellungen, wies die Rechte nach, welche dem
Bischof auf die vier Dörfer, die Zölle und die Besetzung der
Stadtämter zustehen. Die drei Bünde legten sich ins Mittel,
und vom Kaiser kam ein Schreiben, welches der Stadt Chur
das Recht der Einlösung der Reichsvogtei bestätigte und auch
dasjenige über das Blut zu richten einräumte, dagegen die
früheren Zugeständnisse zurücknahm (1489). Der Freiherr
Ludwig von Brandts wurde beauftragt, im Namen des Kai
sers wegen des Blutbanns die Stadt Chur in Pflicht und Ge-
lübd zu nehmen. So scheiterte zwar der Versuch der Stadt,
die völlige Reichsfreiheit und das Gebiet der vier Dörfer zu
erlangen; aber der Geist der Freiheit und Unabhängigkeit
war unter ihren Bürgern zu mächtig erwacht, als daß sie
sich mit dem Errungenen begnügt hätten.