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alle Gewalt in sich (323—337). Er machte das nach ihm be
nannte Konstantinopel zur Hauptstadt des Reiches und führte
eine neue Reichsordnung ein mit einem Heere von Militär-
und Zivilbeamten. Bei der neuen Provinzeinteilung, die er
vornahm, ward Rätien wieder zu Italien geschlagen, zu dem
es schon früher gehört hatte. Ein Präses als Landrichter hatte
die Zivilgewalt und ein Kriegsoberster die Militärgewalt.
Unter dem Kaiser Konstantius, dem Sohne Konstantins,
bedrohten die Lenzer-AIemannen (vom Linzgau und Boden
see her) die rätische Grenze. Die Gefahr des Einbruchs schien
für die Sicherheit Italiens so groß, daß der Kaiser selbst nach
Chur kam, um den Erfolg des Krieges in der Nähe abzu
warten. Der Kriegsoberst Arbetio führte das Heer, geriet aber
in dem Tale unterhalb Götzis in einen Hinterhalt und erlitt
eine schwere Niederlage, und nur die Festigkeit seines Lagers,
in dem die Römer Zuflucht fanden, schützte sie vor gänzlicher
Vernichtung. Die Alemannen erschienen höhnend und spottend
vor dem Lager. Im Uebermut beobachteten sie keine Ordnung.
Dies bemerkten die Römer, brachen aus dem Lager, griffen
die ungeordneten Haufen der Alemannen an und rächten durch
einen glänzenden Sieg ihre frühere Niederlage. So ward die
rätische Grenze gesichert und erfreut kehrte der Kaiser nach
Mailand zurück (354). Aber schon nach vier Jahren kam wie
der ein Schwarm Alemannen, welchen der Feldherr Barbatio
mit blutigen Köpfen abwies. In den Jahren 361, 371 und 378
wiederholten sich diese Einfälle und es nahte die Zeit, welche
man die Zeit der Völkerwanderung nennt, die dem römischen
Reiche den Untergang brachte und Rätien deutschen Völkern
preisgab.
Unter den Römern war der Anbau Rätiens sehr geför
dert. Ackerbau, Weinbau, Obst- und Gartenpflanzungen ka
men überall in Aufnahme, wo es die Beschaffenheit des Bo
dens erlaubte. Denn die Römer waren gute Landwirte und
zogen auch in den Zeiten, da die alte Zucht und Sitte verfiel
und großes Verderben in die Gesellschaft einschlich und die
selbe vergiftete, den Aufenthalt auf dem Lande demjenigen
in den Städten vor. Ein guter Landwirt sein, galt bei ihnen
für den größten Lobspruch; sein Feld nicht wohl bestellen war
ein Vergehen, das der Richter strafte. Linen Bauern, der
etwas kaufte, was ihm fein eigenes Gut liefern konnte, ach
teten sie für einen Schurken. Leider blieb dieser einfache
Sinn nicht immer. Bald häuften sich die großen Landgüter
in den Händen Weniger an, was Italien und die Provinzen
zugrunde richtete.