VIII. Abschnitt.
Unterrätien und dessen alte Gaugrafen.
1. Beschreibung von Unterrätien.
Unterrätien oder Rätien unter der Lanquart ist im
Süden von der Lanquart, im Norden von der Klause bei
Götzis (der Burg Neuburg) am rechten Rheinufer und der
Klause am Hirschensprung (Burg Blatten) am linken Rhein-
ufer, im Südwesten vom Walensee und im Osten vom Arl
berg begrenzt. Der Rhein durchströmt Unterrätien, und seine
Ufer bilden das Haupttal, mit welchem das Sarganserland
und das Jlltal zusammenhängen. Letzteres wird durch den
Rätikon vom Tal der Lanquart (Prätigau) geschieden. So
wohl das Haupttal als die Nebentäler sind von mächtigen
Gebirgen umgeben. Unterrätien ist ein Alpenland, doch sind
seine Niederungen zum Anbau sehr geeignet; alle Arten von
Früchten gedeihen, Obst und Wein zum Teil sogar von vor
züglicher Güte; nur die höher gelegenen Gegenden sind aus
schließlich auf Viehzucht und Alpwirtschaft angewiesen.
Es hat dieses Land zwei wichtige Pässe: am Walensee
und an der Klause bei Götzis, wo auch die beiden Haupt
straßen seit den Römerzeiten durchgingen; sie bildeten zu den
Zeiten der Völkerwanderung die Vormauer für Churrütien
und Italien. Ein dritter Paß, der aus dem Toggenburg nach
Rätien führte, ging bei Wildhaus vorbei, wo sich die Wilden
burg und in nicht weiter Entfernung die Feste Starkenstein
erhob, altes Eigentum der Grafen von Montfort.
Seit undenklichen Zeiten hatten hier rätifche Stämme
Wohnsitze, und noch jetzt zeugen die Namen der meisten Ort
schaften, Güter, Alpen und Wälder und viel anderes, daß
früher hier ein anderes Volk gewohnt und eine andere Sprache
geherrscht habe. Schon seit dem 9. Jahrhundert fing die räto
romanische Sprache an zu verschwinden und der alemannischen
Mundart nach und nach den Platz zu räumen. Letztere war
zur Zeit der Hohenstaufen die allein herrschende.